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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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der steckte in einer leeren Bohnendose in der Spüle.
    »Ist das dein einziger Löffel?«
    »Mhm.«
    Sie angelte ihn aus der Dose, als könne sie Pickel davon bekommen, und schrubbte ihn mit einem Geschirrschwamm.
    Walker hatte seine Zigarette fertiggedreht. »Kein Mensch wusste, wer ich war, Krista. Kann da oben eine Frau ein Kind haben, und sei es nur eine
nichtsnutzige Indianerin
« – seine Augen loderten auf –, »und kein Mensch weiß was darüber?«
    »Sie ist doch weggegangen, Walker. Die Leute würden einfach denken, dass sie es mitgenommen hat, oder?«
    »Schon«, meinte Walker, »nur, dass mein Foto in der Gegend in allen Zeitungen war. Irgend jemand hätte mich doch erkannt. Sie haben auch ein Suchplakat gemacht. Das habe ich gesehen, es war in meiner Akte. Sie haben es in allen Postämtern des Bezirks verteilt, in allen Polizeirevieren des Landes, mit einem großen Foto. ›Kennen Sie dieses Kind?‹, stand drauf. Und niemand hat sich gemeldet.«
    Der Wasserkessel begann zu pfeifen.
    »Er bietet mir vierhunderttausend Dollar an, damit ich verschwinde. Meinst du nicht, dass das ein bisschen viel ist? Meinst du nicht, dass irgendwer eine Heidenangst vor etwas hat? Meinst du nicht, dass die Wahrheit irgendwem – Jake Nuremborski, zum Beispiel – noch viel gefährlicher werden könnte, als er zugibt? Wieso zum Teufel sollte er sich darum scheren, ob er noch einen Enkel hat? Er kann seinen Besitz doch vererben, wem er will. Oder etwa nicht?«
    Krista nahm den Wasserkessel vom Herd.
    »Ein gesundes, sauberes, gepflegtes Kind.« Walker war richtig in Fahrt gekommen. »Mit neuen Klamotten und neuen Schuhen, mit einer Mutter, die sich zu ihm hinkniete und es liebte und ihm zuflüsterte, sich ganz gut festzuhalten, eine Mutter, die ihrem Kind ein Foto und einen Brief in die Tasche steckt, damit dieses Kind, falls ihr etwas zustößt, identifiziert und gerettet werden kann. Vergiss dieses Lügenmärchen von dem Brief, der irgendwo hingeschickt, zurückgeschickt und dann auf einen Tisch gelegt worden sein soll, damit irgendeine Indianerin ihn sich geistesgegenwärtig schnappt und mir in die Tasche stopft!«
    Krista löffelte Kaffee in die Becher und goss das dampfende Wasser darüber. Sie holte eine Milchpackung aus dem Kühlschrank. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen, wollte ihm nicht ins Gesicht sehen.
    »Wie lange steht die Milch schon im Kühlschrank?«, fragte sie, und noch bevor Walker ihr antworten konnte, schnupperte sie daran. Sie konnte nicht anders.
    »Ich glaub, die geht noch«, sagte er und beruhigte sich ein wenig.
    Sie riskierte einen Blick auf ihn. Er zündete sich die Zigarette an. Sah ganz normal aus. »Riecht auch nicht schlecht«, sagte sie und lächelte ihn an.
    »Meinst du, ich hätte die vierhunderttausend nehmen sollen? Meinst du, ich bin ein Trottel?«, fragte er, das Gesicht vom Rauch verhüllt.
    »Natürlich nicht«, erwiderte sie.
    Doch sie war sich keineswegs sicher, was sie meinte.
    »Es geht um meine Mutter«, sagte er. »Wo sollte ich leben, wo sollte ich hingehen, wie könnte ich mir selbst je wieder ins Gesicht sehen? Es geht um meine
Mutter

    »Ich weiß«, sagte Krista. Sie hielt sich an der Tischkante fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, beugte sich hinunter und küsste ihn auf den rauchigen Mund.
    Sie wich ein Stück zurück und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. Ihrer beider Lippen waren einander so nahe, wie sie sein konnten, ohne sich zu küssen. Sie schloss die Augen, so dass ihre langen Wimpern das einzige waren, was Walker von ihr sehen konnte. Er spürte, wie ihre Zunge seine Lippen berührte, sich zwischen seine Lippen schob.
    Alles war umständlich, und alles war perfekt. Umständlich war, sie hochzuheben, aber wie sie sich an ihm festhielt und ihn küsste, war perfekt. Ein einziger langer Kuss, den ganzen Weg von der Küche ins Wohnzimmer.
    Umständlich war, sie abzusetzen, das idiotische Bett auszuziehen und dabei daran zu denken, warum zum Teufel er es überhaupt zusammengeklappt hatte (weil er gedacht hatte, es wäre doch zu plump, es offen stehen zu lassen), aber wie sie die Laken glattstrich, die ganz verdrückt waren, und das Kissen aufschüttelte, war perfekt.
    Und es war perfekt, wie sie auf das Bett krabbelte, das Gesicht von ihrem Haar verdeckt, und auf dem Bauch lag, ihr Gesicht in sein Kissen gedrückt. Da kniete er sich über sie, legte sein Gesicht an ihres, küsste sie zärtlich auf die Wange, die Stirn, das Haar, das

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