Ausgesetzt
Ohr.
Das Telefon läutete.
Krista öffnete die Augen.
»Kümmer dich nicht darum«, sagte Walker.
Es läutete wieder.
»O Gott«, sagte sie und ein langer Seufzer entrang sich ihr.
»Es ist nicht wichtig.«
»Geh ran, Walker.«
Er griff zum Hörer. »Ja?«
»Ist meine Tochter da?«, fragte George Papadopoulos.
»Wer?«
»Na, wer wohl? Krista Papadopoulos.«
»Ah, ja. Einen Moment.« Walker gab sie frei und drückte ihr den Hörer in die Hand.
»Wer ist das?«
»Dein Vater«, flüsterte er.
»Was will denn der?«, flüsterte sie zurück.
Walker zuckte die Achseln.
»Was willst du?«, wiederholte sie, nicht gerade freundlich, in den Hörer hinein.
Walker stand auf, damit sie ungestörter reden konnte, und ging an eines seiner beiden Fenster. Es war erst halb sieben. Langsam kehrte Leben in die Church Street zurück.
»Was?«, sagte Krista, und dann noch einmal: »Was?«, und schließlich, ein wenig ängstlich: »Das soll wohl ein Witz sein?«
O nein, dachte Walker.
»Schon gut«, sagte sie und legte auf. Sie saß auf der Bettkante und schaute zu ihm hinüber. »Es gibt ein Problem.«
»Und zwar?«
»Meine Mutter und mein Vater hatten einen Streit. Was an sich nichts Besonderes ist. Aber sonst rennt immer mein Vater auf und davon. Immer. Aber diesmal glaubt er, dass meine Mutter abgehauen ist.«
»Ach«, sagte Walker und setzte sich neben sie.
»Er ist total aus dem Häuschen. So hab ich ihn noch nie erlebt.«
»Wo hat er meine Nummer her?«
»Wahrscheinlich von Alphonso. Als ich von der Arbeit nicht nach Hause gekommen bin, muss er ihn angerufen haben.«
»Und woher wusste Alphonso, dass du hier bist?«
»Keine Ahnung. Geraten wahrscheinlich. Darum geht’s aber gar nicht, Walker. Es geht um meine Mutter!«
»Stimmt«, sagte Walker. »Tut mir leid.«
Sie drückte ihr Gesicht an seine Wange. »Ich sollte heimgehen, Walker.«
»Ja.«
Lange saßen sie da, die Köpfe aneinandergeschmiegt. Schließlich griff Walker zum Telefon und rief ihr ein Taxi. Aber keins von Alphonso.
Ein paar Minuten später verstaute er ihren Rollstuhl im Kofferraum eines Taxis von Diamond. Er schlug den Deckel zu. Krista wartete an der offenen Autotür auf ihn.
Er grinste und ging zu ihr.
»Blöder konnte es nicht kommen«, sagte sie.
Er küsste sie, damit sie es nicht gar zu schwer nahm. Sie fühlte sich noch immer warm an. Richtig heiß sogar.
»Ich wünschte, das Telefon hätte nicht geläutet«, sagte sie.
»Ich auch«, antwortete Walker.
Sie kam mit ihren Lippen ganz nahe an sein Ohr und flüsterte: »Dass du mir das auch ja nicht vergisst!«
»Wie könnte ich das vergessen?«
Als sie weg war, streckte Walker sich auf dem Bett aus. Sein Kissen roch noch immer nach ihrem Parfüm. Er konnte sie beinahe unter sich spüren. Er schloss die Augen. Nicht einmal die Schuhe hatte er ihr ausgezogen. Oder den Pulli. Die Schuhe aufzumachen wäre kein Problem gewesen, aber mit diesem Ungetüm von einem Pullover wäre es schon kniffliger geworden. Beschäftigt mit solchen Überlegungen schlief er ein.
Als er aufwachte, war es fast elf. Sonnenlicht fiel schräg durch die Fenster und wollte ihn glauben machen, draußen wäre es warm. Doch Walker wusste es besser.
Er griff nach seiner Brieftasche und zog eine Visitenkarte hervor, die er im vergangenen Sommer da hineingesteckt hatte. Er setzte sich auf und wählte eine Nummer.
»Guten Tag. Jugendamt Sudbury. Kann ich Ihnen helfen?«
Walker fragte nach Carolyn McEwan. Er wartete einen Augenblick, dann hörte er eine fröhliche Stimme sagen: »Guten Tag, hier Carolyn McEwan.«
»Hi, Carolyn. Hier ist Walker Devereaux. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern, aber ich war letzten Sommer bei Ihnen.«
»Natürlich erinnere ich mich an Sie. Wie geht’s Ihnen denn?« Es klang so, als ob es sie wirklich interessierte. Walker hoffte, dass dem tatsächlich so war.
»Gut. Ich war damals auf der Suche nach Informationen über meine leiblichen Eltern, wissen Sie noch?«
»Ja.«
»Ich glaube, ich bin auf eine ganz heiße Spur gestoßen.«
»Wirklich?« Es klang aufrichtig überrascht, doch warum sollte sie nicht überrascht sein? Sie hatte den dürftigen Inhalt seiner Akte gesehen. »Das ist ja wunderbar.«
»Ich brauche ein bisschen Hilfe. Ich weiß, Sie werden mir helfen, wenn Sie können.«
Einen Herzschlag lang zögerte sie. »Natürlich, Walker. Wenn es in meiner Macht steht.«
»Wie viele Krankenhäuser gibt es in Sudbury?«, fragte er.
»Zwei
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