Ausgesetzt
größere. Das Allgemeine und das Katholische. Warum?«
»Haben Sie viel mit denen zu tun, wenn Sie nach leiblichen Eltern suchen und Krankengeschichten bekommen?«
»Nein, wegen solcher Sachen nicht.«
»Ach!« Ein wenig verließ ihn der Mut.
»Hin und wieder gehe ich aber ins Allgemeine wegen einer Adoption. Üblicherweise sind es ganz junge, ledige Frauen, die ihr Kind dafür freigeben. Ich bin die Vermittlerin. Sie übertragen der Fürsorge das Sorgerecht, und ich kümmere mich um die Weitergabe an die Adoptiveltern. Das wird alles im Krankenhaus abgewickelt und eingetragen.«
»Dann kennen Sie also Leute vom Archiv?«
»Ja, natürlich. Aber bedenken Sie, dass Patientenberichte vertraulich sind.«
»Mir geht es nicht um Patientenberichte«, sagte Walker. »Was ich brauche, sind Aufnahmedaten der Notaufnahme von der Nacht des 4. Oktober 1979 oder vielleicht dem Morgen darauf. Nur den Namen einer Person, die in dieser Nacht mit dem Rettungswagen vom French River, aus der Gegend eines Ortes namens Weirtown hergebracht wurde.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. »Es könnte meine Mutter oder mein Vater gewesen sein«, fügte er hinzu.
»Das ist lange her«, sagte Carolyn schließlich.
»Es war an dem Tag, an dem ich neben der Straße gefunden wurde.«
»Wirklich? Nach welchem Namen müsste ich denn fragen?«
»Keine Ahnung. Das versuche ich ja herauszufinden. Ich weiß nur, dass meine Eltern an diesem Tag in einen Unfall verwickelt waren. Irgend etwas ist da passiert.«
»Walker, ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Großartig«, sagte er. Er war ihr unendlich dankbar.
»Ich werde Heather sagen, dass Sie angerufen haben …«
»Nein«, unterbrach er sie hastig. »Mir wäre es lieber, wenn Sie es nicht täten. Ich bin jetzt ganz nahe dran, meine Eltern zu finden. Und ich möchte sie selbst damit überraschen.«
»Ach so. Na, gut«, sagte sie.
Er gab ihr seine Telefonnummer. Dann rief er Kim Miller-Best an. Es war erst elf Uhr vormittags. Er hoffte, sie wäre noch einigermaßen klar im Kopf.
»Hallo?«, antwortete eine Kinderstimme.
»Hi. Ist deine Mama da?«, fragte Walker.
»Nein«, erwiderte das kleine Mädchen.
»Weißt du, wann sie wiederkommt?«
»Sie ist in Urlaub gefahren«, sagte sie in sehr ernstem Ton.
»Wohin?«
»Zu Oma.«
»Zu deiner Oma nach Toronto?«
»Ja.«
»Hast du zwei Omas in Toronto?«, fragte er, um ganz sicherzugehen.
»Nein.«
Walker sah Kim schon durch das Fenster in der Haustür, noch bevor er an der Tür klingelte. Sie saß in der Küche am anderen Ende des Flurs und sprach mit jemandem. Sie trug einen Hausmantel und sah schmaler aus, als Walker sie in Erinnerung hatte. Als er den Klingelknopf drückte, fuhr sie zusammen.
Kim stand auf und ging über den Flur auf ihn zu. Jetzt konnte er ihre Mutter in der Küche sehen. Sie trug klassisch geschnittene Hosen und eine Bluse und war, im Gegensatz zu ihrer Tochter, perfekt geschminkt und frisiert.
Kim öffnete die Tür.
»Tut mir leid, dass ich Sie schon wieder belästigen muss«, sagte Walker. »Das ist bestimmt das letzte Mal. Ich verspreche es.«
Kim trug das Haar aus dem Gesicht und zur Hälfte in einer Art Knoten aufgesteckt. Sie war überhaupt nicht geschminkt, und ihr Gesicht schimmerte gelblich. Sie sah noch verhärmter und angespannter aus als beim ersten Mal.
»Hast du das Haus am Fluss gefunden?«, fragte sie, ohne die Tür freizugeben und ihn hereinzulassen. Ihre Mutter trat mit besorgtem Blick in den Flur.
»Ja. Danke vielmals.«
»Hat es was genützt?«
»Ja. In gewisser Weise.«
»Hast du was über Lennie herausgefunden?«, fragte sie. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als wäre ihr Mund zu trocken. Nervös rieb sie mit der einen Hand den Rücken der anderen, hin und her.
»Nein. Eigentlich nicht. Deshalb wollte ich Ihnen noch eine Frage stellen«, erwiderte Walker.
Mrs. Miller trat hinter ihre Tochter und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Sie sind doch Walker, nicht wahr?«, fragte sie freundlich.
»Ja. Hallo, Mrs. Miller. Schön, Sie wiederzusehen.«
»Er möchte mich noch was wegen Lennie fragen«, sagte Kim abwesend.
»Das ist jetzt nicht die beste Zeit, Walker«, sagte Mrs. Miller, »Kim geht es heute gar nicht gut. Vielleicht ein andermal.«
»Nein, ist schon in Ordnung«, behauptete Kim und rang sich ein Lächeln ab. »Ist sogar ganz gut. Da hab ich was zu tun. Komm rein, Walker.«
Kim trat zurück. Auch ihre Mutter machte Platz, sah aber wenig
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