Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
Vom Netzwerk:
die Betrachtung der Leiche zu unterbrechen. »Die Obdachlosen, die hier unten hausen. Trug wahrscheinlich Anzug, Hemd, Krawatte, gute Lederschuhe. Die Schweine haben alles mitgenommen. Seine angeschissene Unterwäsche finden wir sicher im Umkreis von zehn Metern. So einen Notstand hat niemand.«
    »Wir haben sie schon gefunden«, erwiderte Detective Alberni. Er hielt einen Plastikbeutel hoch.
    »Der Mann hat Selbstmord begangen, ein paar von diesen abartigen Pennern haben ihn gefunden und ausgezogen. Das ist alles«, wiederholte Kiss.
    Alberni war nähergekommen, den Plastikbeutel noch immer in der Hand.
    »Bleiben Sie mir bloß vom Leib damit«, sagte Kiss.
    »Nein, Sergeant, das ist nicht seine Unterwäsche, sondern etwas anderes.«
    Er gab Kiss den Beutel. Kiss hielt ihn ins Sonnenlicht.
    Durch das Plastik sah er eine Brille. Eines der Gläser war zerbrochen, und ein paar Scherben waren aufgesammelt und mit in den Beutel getan worden. Das runde Metallgestell war völlig verbogen und ebenfalls zerbrochen.

[home]
    25
    V on einer sehr jungen, sehr schönen Frau im jamaikanischen Fremdenverkehrsbüro in Toronto hatte Walker erfahren, dass Reef Island nur etwa achtzig Kilometer von Kingston entfernt vor der Südküste lag. (Sie selbst hatte nie davon gehört und musste erst danach suchen, zuerst im Computer und dann, als sie da nicht fündig wurde, in einem Buch.) Three Mile Hill war offenbar sowohl der Name des markantesten geographischen Punktes der Insel als auch ihrer einzigen Stadt. Es gab keine Festlandverbindung zur Insel, sie war nur mit einem privaten Fährdienst zu erreichen, dessen Fahrplan jedoch nicht im Buch stand.
    In der Taxizentrale hatten Walker und Krista ihre Jamaika-Karte und den Weg von Kingston nach Reef Island eingehend studiert. Es schien nicht allzu schwierig, dorthin zu gelangen. Sie rechneten mit einer Stunde, um aus Kingston herauszukommen. Eine weitere Stunde würden sie wahrscheinlich für die achtzig Kilometer brauchen. Also würden sie spätestens um zehn Uhr vormittags in Joy’s Grove ankommen, der Stadt, die der Insel gegenüberlag. Zeit genug, um auf Reef Island eine Unterkunft zu finden, falls es dort überhaupt eine gab.
    Womit sie sich in der ersten Nacht auf der Insel die Zeit vertreiben sollten, darüber hatten sie überhaupt nicht gesprochen. Aber die Frage war die vergangenen drei Tage die ganze Zeit zwischen ihnen in der Luft gehangen.
    Roger Dumont, ihr Taxifahrer, fuhr um genau zwanzig nach zehn in einer Staubwolke an der Anlegestelle der Fähre in Joy’s Grove vor.
    Walker und Krista entstiegen dem klimatisierten Taxi in einen sengend heißen Morgen.
    Eine Schar von Jungen, alle in der Uniform einer Privatschule, lungerten am Kai herum. Noch mehr Jungen kamen dazu, einige in Autos mit ihren Familien, zwei andere in Autos mit Chauffeur. Es gab sie in allen Schattierungen und Größen – von ganz klein bis ganz groß, von weiß über goldbraun bis tiefschwarz.
    »Sie haben Glück«, sagte Roger, »die wollen alle zur Schule rüber. Die Fähre ist bestellt.«
    Zehn Minuten später verkündete ein Junge, der auf einem Pfahl stand, dass die Fähre auf dem Weg sei. Und eine Minute später konnten auch Walker und Krista sie sehen, einen schwarzen Käfer auf einer glitzernden blauen Fläche.
    Walker betrachtete sie unter einer Sonnenbrille und einem weißen Strohhut hervor, die er beide an einem Kiosk auf dem Flughafen erstanden hatte. Schon um halb acht Uhr morgens hatten er und Krista sich auf dem kurzen Stück vom Flugzeug zum einigermaßen kühlen Hauptterminal in der sengenden Hitze des Asphalts wie im Backofen gefühlt. Auch Krista hatte sich einen Strohhut gekauft. Ihrer hatte eine breite Krempe und ein lila Band. Außerdem hatte sie noch Sonnenmilch gekauft. Zwei Flaschen mit dem höchsten Lichtschutzfaktor, den sie finden konnte.
    Von der Fähre, die sich langsam in ein kleines, vom Rost ganz rotes Eisenschiff verwandelte, ließ Walker immer wieder den Blick hin zum grünen Rücken von Reef Island schweifen. Dunstschleier stiegen von der Insel auf wie Feenflügel und lösten sich in Luft auf.
    Das Schiff, mit seinem hohen rostverkrusteten Rumpf, lief heftig spritzend rückwärts in einen leeren Liegeplatz an der Anlegestelle ein. Roger steckte Walker eine handgeschriebene Karte in die Tasche und schrie ihm über den Motorenlärm hinweg zu: »Wenn ihr zurückwollt, ruft diese Nummer an. Dann hol ich euch ab. Gar kein Problem.«
    Walker nickte, und mit Rogers Hilfe

Weitere Kostenlose Bücher