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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Verfügung gestanden hatte.
    Ich fühlte mich wie eine Mutterkuh, die von ihrem Kalb getrennt wird. Ich hörte Reba blöken, durfte aber nicht reagieren. Ich hatte es ernst gemeint, als ich Cheney versprochen hatte, die Distanz zu wahren, zumindest bis die Situation unter Kontrolle war. Wenn Reba erst einmal mit Vince und seinen Kumpanen gesprochen hatte, würde ich mich neu orientieren. Bis dahin könnte sie allerdings bereits jeden Kontakt zu mir abgebrochen haben.
    Zunächst hörte ich nichts mehr von Cheney, was mich
    vermuten ließ, dass er bis über beide Ohren in Arbeit steckte.
    Um dem Schweigen zu entrinnen, verließ ich meine Wohnung und ging zu Henry hinüber. Ich klopfte an den Türrahmen, und er winkte mich herein. Auf der Arbeitsfläche stand sein Profi-Mixer, daneben ein Zehn-Pfund-Sack Brotmehl, Hefepäckchen, Zucker, Salz und Wasser.
    »Kannst du Gesellschaft vertragen?«
    Er lächelte. »Wenn du den Krach verträgst, den mein Mixer macht. Ich mische schnell den Teig für ein paar Brote. Über Nacht lasse ich ihn gehen und backe morgen gleich in aller Frühe. Setz dich doch.«
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    Ich sah ihm zu, wie er die Zutaten abmaß und sie in die große Edelstahlschüssel des Mixers gab. Nachdem er das Gerät eingeschaltet hatte, mussten wir unser Gespräch unterbrechen, bis er fertig war. Wir plauderten, während er die klebrige Teigmasse herausnahm, sie knetete und weiteres Mehl dazugab, bis alles glatt und elastisch war. Er ölte eine große Waschschüssel, wendete den Teig darin, bis er rundum glänzte, und bedeckte ihn mit einem Tuch. Dann stellte er die Schüssel in den Ofen, wo die Zündflamme genug Wärme erzeugte, um den Brotteig aufgehen zu lassen.
    »Wie viel machst du denn?«, erkundigte ich mich mit einem Blick auf die Teigmenge.
    »Vier große Laibe und zwei Bleche Brötchen, alles für Rosie«, antwortete er. »Vielleicht backe ich noch ein paar
    Zimtschnecken, falls du Interesse hast.«
    »Immer. Lewis ist wohl nach Hause geflogen?«
    »Ich habe ihn am Samstag am Flughafen abgesetzt. Und apropos Lewis: Er hat sich dafür entschuldigt, dass er hier hereingeplatzt ist, was eine Art Premiere war. Ich glaube, es ist ihm nie in den Sinn gekommen, dass sein Kommen sich so auswirken würde. Ich habe gesagt, er solle sich keine Sorgen machen. Vorbei ist vorbei.«
    »Gestern hat unter anderen Umständen jemand etwas
    Ähnliches zu mir gesagt«, erklärte ich. »Auf jeden Fall bin ich froh, dass ihr beiden wieder eine gemeinsame Basis gefunden habt.«
    »Daran habe ich nie gezweifelt«, erwiderte er. »Und was ist mit dir? Ich habe dich dieses Wochenende kaum gesehen. Was macht dein neuer Freund?«
    »Gute Frage.« Ich erzählte Henry die traurige Geschichte meiner Verfehlungen, berichtete von riskanten Aktionen, übertretenen Gesetzen, Gewinnen, Verlusten und
    spannungsreichen Fluchten. Er hatte wesentlich mehr Spaß an 295
    meiner Schilderung als Cheney, und dafür war ich ihm dankbar.
    Kurz nach sechs kehrte ich in meine Wohnung zurück und machte mir ein Sandwich mit heißem, hart gekochtem Ei und mehr Mayo und Salz, als ein Internist empfehlen würde. Ich knüllte gerade mein Stück Küchenkrepp zusammen, als das Telefon klingelte. Ich warf den Klumpen weg und wartete, bis der Anrufer zu sprechen begann. Als Marty Blumberg seinen Namen nannte, nahm ich ab. »Hallo, Marty. Ich bin dran. Bin nur gerade erst gekommen.«
    »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Sie zu Hause anrufe. Es ist etwas Seltsames passiert, und ich wüsste gern, was Sie davon halten.«
    »Klar.« Ich vernahm Verkehrsgeräusche im Hintergrund und vermutete, dass er von einer Telefonzelle aus anrief.
    »Wollen Sie die lange Version hören oder die kurze?«
    »Lange Geschichten sind immer besser.«
    »Stimmt«, sagte er. »Also, es war folgendermaßen.« Einen Moment lang hörte ich nur, wie er inhalierte und anschließend einen Mund voll Rauch ausstieß. »Wie ich heute von der Arbeit nach Hause komme, empfängt mich meine Haushälterin völlig aufgelöst. Sie ist ganz aus dem Häuschen wegen irgendwas, rückt aber nicht raus mit der Sprache. Ich bedränge sie, weil ich ihr anmerke, dass sie es unbedingt loswerden will. Sie sagt, ich soll nicht wütend werden. Ich sage, okay. Sie erzählt mir, sie kommt wie immer um neun, und da sieht sie einen Wagen der Telefongesellschaft in der Einfahrt und zwei Männer auf der Veranda stehen. Sie geht weiter, betritt durch die Hintertür das Haus und macht dann vorn auf. Da sagt der

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