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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Hals.«
    Verlegen fuhr ich mir mit der Hand an den Hals. Sie lachte.
    »War nur ein Scherz.«
    »Sehr witzig.«
    »Na ja, es würde mir eben gefallen, wenn Sie ein Liebesleben hätten.«
    »Und mir würde es gefallen, wenn mein Liebesleben meine Privatangelegenheit bliebe«, gab ich zurück. »Wer ist denn nun der Mann, mit dem Sie mich unbedingt bekannt machen
    wollen?«
    »Marty Blumberg. Der Rechnungsprüfer in Becks Firma.«
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    18
    An meinem Büro angekommen, ließ ich Reba im Auto sitzen und den Käfer im Leerlauf vor sich hin tuckern, während ich hineinspurtete und den Umschlag aus der Schreibtischschublade holte. Ich setzte mich wieder hinters Steuer, reichte ihr den Umschlag und musterte sie aus dem Augenwinkel, ehe ich den Block umrundete und Richtung Passages fuhr. Reba nahm die Fotos aus dem Umschlag und beäugte sie, als würde sie unter einem Mikroskop Ungeziefer sezieren. Dann schob sie sie wortlos in den Umschlag zurück. Ihre Miene verriet nichts.
    Ich fand die vermutlich letzte Lücke in der Tiefgarage, die sich wie eine flache, graue Höhle unter dem Einkaufszentrum entlangzog. Wir trabten zum Aufzug und fuhren ins
    Erdgeschoss, wo sich sämtliche Geschäfte befanden. Reba ging mit dem Umschlag in der Hand zwei Schritte vor mir her und zwang mich zu einer schnelleren Gangart, wenn ich mit ihr Schritt halten wollte. Wenigstens kam sie mir nicht mehr so überdreht vor wie zuvor, und darüber war ich froh. »Wohin gehen wir?«
    »Zu Dale’s.«
    »Warum zu Dale’s? Das ist eine Spelunke«, wandte ich ein.
    »Stimmt nicht. Es ist ein Wahrzeichen von Santa Teresa.«
    »Das ist die Müllkippe auch.«
    Dale’s war eine völlig schmucklose Kneipe, deren Gäste ausschließlich zum Trinken kamen und zu weiter nichts. In mir regte sich der mittlerweile altbekannte Konflikt: Sollte ich Reba beschützen und vorschlagen, woandershin zu gehen, oder den Mund halten und sie die Verantwortung für ihre Entscheidungen selbst übernehmen lassen? Diesmal siegte der Eigennutz.
    Schließlich wollte ich Marty Blumberg kennen lernen.
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    Wir gingen hinein und blieben in der offenen Tür stehen, um uns zu orientieren. Ich war seit Jahren nicht mehr im Dale’s gewesen, doch es hatte sich kaum verändert – ein
    schlauchartiger Raum mit einem Bartresen auf der linken Seite und einer Musikbox im hinteren Teil. Dicht vor der rechten Wand drängten sich sechs oder acht kleine Tische. Die Beleuchtung stammte überwiegend von Neon-Bierreklamen in Blau und Rot. Zahlreiche Gäste bevölkerten die Hälfte der Barhocker und die meisten Tische. Siebenundachtzig Prozent der Anwesenden rauchten, und die Luft war so grau wie Morgennebel. Die von oben kommende Beleuchtung spendete ein mattes Licht, das dem schwindenden Tageslicht draußen ähnelte. Ich erinnerte mich, dass die Musikbox mit alten Singles bestückt war. Momentan sangen die Hilltoppers schmachtend
    »P.S. I Love You«, während auf einer engen Fläche vor der einzigen Toilette ein Pärchen tanzte. Das auf dem Boden ausgestreute Sägemehl und die schallisolierenden Deckenfliesen dämpften den Geräuschpegel, so dass Musik und Gespräche aus einem anderen Raum zu kommen schienen.
    An den Wänden hingen Schwarzweißfotos, die in den
    Vierzigerjahren aufgenommen worden sein mussten, wenn man nach Frisuren und Kleidung der Frauen ging. Auf jedem Foto war dieselbe Person zu sehen, ein Mann mittleren Alters mit Halbglatze, womöglich der Namensgeber Dale. Er hatte den Arm um verschiedene zweitrangige Sportgrößen geschlungen –
    Baseballspieler, Profiringer und Rollschuhköniginnen –, deren Unterschriften am unteren Rand der Bilder prangten.
    Am anderen Ende des Lokals erzeugte eine Maschine am laufenden Band Popcorn, das der Barkeeper in Pappbecher schaufelte und zum allgemeinen Gratisgenuss verteilte. Auf dem Bartresen standen in regelmäßigen Abständen Sortimente verschiedener Popcorn-Gewürze: Knoblauchsalz, Zitronenpfeffer, Cajun-Mischung, Currypulver und Parmesan in einem grünen Pappbehälter. Das Popcorn reichte nicht aus, um die Gäste 230
    nüchtern zu halten, doch zumindest hatten sie so etwas, womit sie sich zwischen ihren Drinks beschäftigen konnten. Als wir Platz nahmen, kam gerade ein gereizter Streit auf, bei dem es um Politik ging, ein Thema, von dem offenbar keiner der Anwesenden auch nur einen blassen Schimmer hatte.
    »Und, wo ist er nun?«, fragte ich und sah mich um.
    »Was haben Sie es denn so eilig? Er kommt sicher gleich.«
    »Ich dachte, wir

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