Ausgespielt
ganzen Tag mulmig
zumute. Als würde es nicht mehr lange dauern bis zum nächsten Drink oder einem Besuch im Spielsalon.«
»Das lassen Sie mal lieber.«
»Sie haben leicht reden. Ich rauche ja jetzt schon wieder ein Päckchen am Tag.«
»Ich hätte Ihnen gleich sagen können, dass Sie gar nicht erst anfangen sollen.«
»Ich konnte nicht anders.«
»Das sagten Sie schon. Mich überzeugt das nicht. Entweder nehmen Sie Ihr Leben in die Hand, oder Sie können es gleich aufgeben.«
»Ja, klar, aber ich habe mich so schlecht gefühlt. Natürlich ist Beck ein Schwein, aber ich liebe ihn wirklich –«
»Sie lieben ihn?«
»Na ja, jetzt nicht mehr, aber früher schon. Zählt das denn gar nicht?«
»In meinen Augen nicht.«
»Und außerdem – so seltsam es klingt, irgendwie fehlt mir das Eingesperrtsein.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Doch«, erwiderte sie. »Im Gefängnis musste ich nicht ständig Entscheidungen fällen, und dadurch hatte ich weniger Gelegenheit, etwas zu vermasseln. Was habe ich hier draußen schon für einen Anreiz, mich gut zu benehmen?«
Genervt zwickte ich mir in den Nasenrücken. »Und wo sind Sie jetzt? Bei Ihrem Vater?«
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»Ja, und Sie kommen nie drauf, wer angetanzt ist, um ihn zu besuchen.«
»Wer denn?«
»Lucinda.«
»Die Frau, die sich Hoffnungen auf eine Ehe mit ihm gemacht hat?«
»Genau die«, bestätigte sie. »Sie würde jubeln, wenn ich die Bewährungsauflagen verletze. Wenn sie mich in den Knast stecken, kann sie sich wieder in Pops Leben drängen, ehe die Zellentür ins Schloss fällt.«
»Dann nehmen Sie sich lieber mal zusammen.«
»Das würde mir leichter fallen, wenn ich etwas trinken dürfte.
Vielleicht könnte ich auch mal auf einen Sprung ins Double Down gehen und einfach nur zusehen. Das schadet doch nichts.«
»Würden Sie bitte mit diesem Schwachsinn aufhören? Sie können tun, was Sie wollen, aber machen Sie sich bloß nichts vor. Sie suchen nur nach einer Ausrede, um sich selbst zu zerstören.«
»Ja, das würde es sicher leichter machen.«
»Wie wär’s, wenn ich mich jetzt ins Auto setze und Sie abhole?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es ja gar keine so tolle Idee.
Wenn ich Lucinda mit ihm allein lasse, fällt ihr garantiert etwas ein, womit sie Ärger machen kann.«
»Ach, kommen Sie. Was kann sie schon tun? Ihr Vater hat mir gesagt, er sei fertig mit ihr.«
»Irgendwie schafft sie es immer wieder. Ich hab’s ja schon miterlebt. Pop ist wie ich – willensschwach und unentschlossen, nur nicht so leichtsinnig. Außerdem, wenn er angeblich fertig mit ihr ist, warum sitzt sie dann im Zimmer nebenan?«
»Hören Sie auf, sich an ihr festzubeißen. Sie ist die geringste Ihrer Sorgen. Jetzt lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit, damit 221
ich mir etwas anziehen kann, und dann komme ich.«
»Sind Sie sicher, dass Sie ausgehen wollen?«
»Sicher bin ich sicher. Schlendern Sie schon mal langsam die Einfahrt hinunter, dann treffen wir uns am Tor.«
Auf der Fahrt versuchte ich, mir über die Situation klar zu werden. Reba stand kurz davor, die Kontrolle über sich zu verlieren. Seit sie sich die erste Zigarette angesteckt hatte, wartete ich auf Anzeichen dafür, dass ihr emotionaler Druck nachließ. Nach zwei Jahren in Haft war sie nicht an Konflikte in der realen Welt und deren reale Konsequenzen gewöhnt. Selbst wenn es im Gefängnis schrecklich war, hatte man sie dort auf eine Art in Schach gehalten, die ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelte. Jetzt war sie mit zu vielen Dingen auf einmal konfrontiert, und sie wusste nicht, wie sie den Ansturm verkraften sollte. Schlimm genug, erfahren zu müssen, dass Beck sie dazu überlistet hatte, den Sündenbock für ihn zu machen, aber noch schlimmer war festzustellen, dass er eine Affäre mit einer Frau begonnen hatte, die sie für ihre beste Freundin gehalten hatte. Sie war robust genug, um seine Betrügerei zu schlucken, aber vielleicht nicht robust genug, um den Bruch zu vollziehen. Ich konnte ihre Unschlüssigkeit verstehen: Sie war seit Jahren abhängig von ihm. Was mir jedoch Sorgen machte, war ihre geringe Stresstoleranz. Wenn das Treffen mit Vince Turner sofort stattgefunden hätte, wäre sie vielleicht ohne weiteres darauf eingestiegen und hätte alles ausgeplaudert, was sie wusste. Schon angesichts der
Verzögerung von nur drei Tagen bestand die Gefahr, dass sie die Selbstkontrolle verlor. Und auch wenn ich nicht für sie verantwortlich war, war ich doch an der Belastung
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