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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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beteiligt, die sie an den Rand des Abgrunds gebracht hatte.
    Bei meiner Ankunft am Haus der Laffertys hockte Reba auf einem großen Sandsteinfelsen rechts vom Tor. Sie trug eine marineblaue Windjacke, Jeans und Turnschuhe, hatte die Knie angezogen und rauchte eine Zigarette. Als sie mich sah, nahm 222
    sie einen letzten Zug und kletterte herunter. Sowie sie in den Wagen gestiegen war, spürte ich die nervöse Energie, die sie abstrahlte wie Hitze. Ihre Bewegungen waren hektisch, und ihre Augen glänzten übertrieben. »Was haben Sie denn mit Ihren Haaren gemacht?«, wollte sie wissen.
    »Schneiden lassen.«
    »Sieht gut aus.«
    »Danke.« Ich legte den Rückwärtsgang ein und wendete.
    Sie reckte den Hals und wandte den Blick zum Tor. »Ich hoffe nur, sie ist weg, wenn ich zurückkomme. Es ist echt die Höhe, dass sie einfach unangekündigt hereinschneit.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass sie ihn nicht vorher angerufen hat?«
    »Das wäre ja noch schlimmer. Wenn er in ihren Besuch eingewilligt hat, ist er verrückter als ich.«
    »Hey, atmen Sie mal tief durch, und reißen Sie sich
    zusammen. Sie sind ja ganz zappelig.«
    »Entschuldigung. Ich habe das Gefühl, als würde jemand in mir stecken, der durch meine Haut herauskrabbeln will. Wenn ich nur einen Mann hätte. Noch lieber wäre mir ja ein Drink, aber Sex wäre auch nicht schlecht.«
    »Rufen Sie Ihren AA-Paten an. Sind die nicht für so etwas zuständig?«
    »Ich habe noch keinen gefunden.«
    »Dann rufen Sie Priscilla Holloway an.«
    »Mir fehlt nichts. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe ja Sie«, erklärte sie lachend.
    »Ja, toll. Das wird mir aber zu viel.«
    »Tja, mir auch, wissen Sie? Ich versuche ja nur, mich durchzuschlagen, genau wie alle anderen.« Sie schwieg einen Moment lang und sah aus dem Fenster. »Mist. Vergessen Sie’s.
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    Ich komme schon allein klar.«
    »Wie Sie ja in der Vergangenheit so umfassend bewiesen haben.«
    »Wenn Sie so schlau sind, was schlagen Sie dann vor?«
    »Suchen Sie sich einen AA-Treff.«
    »Wo?«
    »Woher soll ich das wissen? Wir fahren zu mir und schauen in die Gelben Seiten. Es muss ja einen Eintrag für AA geben.«
    Bei mir zu Hause angelangt, dauerte es kaum eine Minute, die Nummer nachzuschlagen und den entsprechenden Anruf zu tätigen. Das nächste Treffen sollte im städtischen Freizeit-zentrum stattfinden, das nur vier Straßen entfernt lag. Ich fuhr sie hin, da ich mich nicht darauf verlassen wollte, dass sie es allein schaffen würde.
    »Ich hole Sie in einer Stunde wieder ab«, sagte ich, als sie ausstieg. Ihre Antwort erschöpfte sich im Zuknallen der Beifahrertür. Ich wartete bewusst ab, bis ich sie im Haus verschwinden sah, und wartete dann noch eine Minute, für den Fall, dass sie sich wieder davonstehlen wollte. Langsam begriff ich, wie sich Angehörige von Alkoholikern in diese Spielchen verwickeln ließen. Schon jetzt musste ich gegen das Bedürfnis ankämpfen, sie auf Schritt und Tritt zu überwachen. Entweder das, oder ich wusch mir ein für alle Mal die Hände in Unschuld und machte mich davon. Wäre mir nicht daran gelegen gewesen, sie zu beschirmen, bis sie sich mit Vince getroffen hatte, hätte ich sie womöglich ziehen lassen.
    Um Zeit totzuschlagen, fuhr ich in mein Viertel zurück und parkte vor Rosie’s Tavern. Die Ironie, dass ich in einer Kneipe auf Reba wartete, während sie gegen das Verlangen nach Alkohol ankämpfte, blieb mir nicht verborgen. Lewis war da und stand mit einer Schürze um die Taille hinter dem Tresen.
    Zwei Nachmittagstrinker hatten es sich am anderen Ende des Lokals gemütlich gemacht. Der an die Wand montierte
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    Farbfernseher zeigte ein Golfturnier. Rosie musste in der Küche sein und das Abendessen vorbereiten, da es intensiv nach Röstzwiebeln roch. Außerdem machte sie irgendetwas mit gebratenen Nierchen, wovon ich lieber gar nichts wissen wollte.
    Ich setzte mich auf einen Barhocker und bestellte mir ein Cola.
    Ich schwöre, ich hätte mich um meinen eigenen Kram

gekümmert, wenn Lewis nicht gar so fröhlich und unbelastet gewirkt hätte. Es war ihm nicht im Geringsten anzumerken, dass er bedauerte oder sich auch nur bewusst gemacht hatte, welchen Ärger er ausgelöst hatte.
    Er stellte mein Cola auf den Tresen und fragte: »Wo ist Henry? Ich habe ihn schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen.«
    Ich musterte ihn. »Du weißt es wirklich nicht.«
    »Was? Fehlt ihm etwas?«
    Ich überlegte kurz, ehe ich antwortete. »Es geht mich ja nichts an, aber

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