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Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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Erdgeschoss.«
    Nichts regte sich. Bleierne Stille. Dann setzte sich die
Kabine in Bewegung. Langsam, sehr langsam. Sven brüllte irgendwas, das Berenike
schon nicht mehr verstand. Sie sah ihn wild gestikulieren. Von unten waren
Schritte zu hören. Die Polizei! Hoffentlich. Sie rannte los.

Dreiunddreißig

     

     
    Der Teeweg ist eine Methode, durch welche man
so weit kommen kann, sein Lebensschicksal anzunehmen und Zufriedenheit darin zu
finden. (Soshitsu Sen)

     
    Berenike hetzte die Treppe hinab. In die Stimmen
von unten mischte sich ein seltsames Klirren und Scheppern. Das musste vom Lift
herrühren. Endlich konnte sie Polizisten in blauen Uniformen erkennen. Sie
winkten Berenike, zur Seite zu gehen, und umstellten die Liftkabine, Waffen im
Anschlag. Niemand wusste, was gleich passieren oder wie Sven reagieren würde.
Keiner ahnte, was gerade in der Liftkabine vor sich ging. Was mit Ellen los war.
Was sie sehen würden, wenn die Tür aufging. Er hatte eine Waffe. Möglicherweise
eine Schusswaffe, man konnte nur spekulieren.
    Mit einem letzten Ruck kam der Lift zum Stehen. Ein Polizist
riss die Tür auf, ging sofort dahinter in Deckung. Arme, viele Arme mit Waffen
zielten auf einen Mann – Sven. Der hob kapitulierend die Arme. Ellen war nicht
zu sehen. Berenike wollte näher herangehen, doch eine Polizistin verstellte ihr
den Weg.
    »Please stay away«, sagte sie in ruhigem Tonfall. Hier sprach
sogar die Polizei Englisch, alle Achtung, das war Berenike aus Österreich
weniger gewohnt.
    Endlich erhaschte sie einen Blick auf Ellen. Eine Hand, der
Arm, etwas bewegte sich. Berenike wollte wieder näher hin, wieder hielt die
Beamtin sie ab. »It’s ok, we care for your friend.«
    Nichts war ok. Berenike wollte sich auf Sven stürzen, den
zwei Polizisten in ihre Mitte nahmen und nach draußen führten. Irina war von
irgendwoher aufgetaucht. Sven brüllte: »Ich lass mir nichts mehr gefallen! Mit
mir macht ihr das nicht mehr! Scheiß Firma, verrecken sollt ihr. Nie habt ihr
mir zugehört! Seit Jahren mach ich euch auf die Zustände aufmerksam, aber
keiner beantwortet meine Briefe!« Er schnupperte plötzlich, verzog schmerzhaft
das Gesicht. In der Luft lag der Duft nach leicht verkohltem Fleisch. Jemand
musste in der Küche etwas auf dem Herd vergessen haben. »Verlottert, dieses
Land, total verlottert.«
    Berenike wollte Sven schlagen, nach ihm treten, bis er sich
nicht mehr rührte. Diese Angst um Ellen! Er hat einen Mund zum Reden! Man muss
doch nicht mit Gewalt … Sie fühlte sich verpflichtet, dieser Gewalt
entgegenzutreten, mit allen Mitteln. Die Polizistin hielt Berenike fest. Sie
wusste nicht mehr, wie spät es war. Oder wie früh. Was blieb, war das Zittern
in den Knien und die Angst um Ellen.

     
    Doch Ellen war tough. Sehr tough. Noch. Sie
sprach nicht über das Vorgefallene, tat, als wäre sie ok. Im Gegensatz zu
Berenike. Sie bekam kein Wort heraus, als die Polizisten ihre Aussage aufnehmen
wollten. Sie erinnerte sich kaum mehr an ein englisches Wort. Ein Zittern an
der Kehle, sie schluckte mehrmals. Viel hatte sie sowieso nicht zu sagen.

     
    Ellen schwieg weiter, so viele Fragen ihr
Berenike auch stellte. Ihr einziges Zugeständnis: Sie schlief in Berenikes
Zimmer, das glücklicherweise über zwei Einzelbetten verfügte. Sie mussten eine
weitere Nacht im Hotel verbringen, bevor ihr Flug von Sofia zurück nach Wien
ging. Beide wälzten sie sich schlaflos herum. Es mangelte an einem beruhigenden
Tee, dachte Berenike. Oder einer Psychologin. Woher nehmen und nicht stehlen,
so weit weg von daheim und in einer Sprache, von der Berenike nur ein paar
Wörter aufgepickt hatte. Die Polizistin hatte sich zwar tröstend mit ihnen
unterhalten, nachdem alles vorbei gewesen war. Sven habe sie bedroht, sagte Ellen
in kurzen, knappen Worten. Wollte zurück zum Flughafen, hatte sie in ihrem
gemeinsamen Zimmer als Geisel genommen. Um Irina zu zwingen, alles für ihn zu
tun. Um den Idioten von Koromar mal zu zeigen, was Sache war. Nun war er also
vollständig durchgedreht. Mit einem Küchenmesser in der Hand. Auch ein
Sanitätswagen war eingetroffen, Ellen hatte ihn nach einer Beruhigungsspritze
weggeschickt.
    Ellen kam kein Jammern über die Lippen. Beinhart wollte sie
offenbar alles mit sich selbst ausmachen. Wollte nicht über das Vorgefallene
reden. Auch nicht beim Frühstück am nächsten Morgen. Ihr Gesicht war gepflegt,
ihr blauschwarzes Haar gekämmt wie immer, ein Scherz auf den Lippen für

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