Ausgetanzt
über alles, ja? Egal wann, ich werd es
einrichten. Wenn der Fall abgeschlossen ist, können wir …«
»Ich …«
Ein Schatten fiel über sie. Zwang Berenike dazu,
aufzublicken. Der Schatten hatte die Gestalt von Inspektor Mara Wander.
Berenike hielt mittlerweile viel von der engagierten Polizistin, aber dass sie
immer neben Jonas auftauchen musste, das war zu viel! Na gut, sie hatte immer
gewusst, dass er in seinem Beruf aufging. Und Eifersucht war doch obsolet …
»Was machst du eigentlich hier?« Berenike sah wieder Jonas an
und wäre beinahe in diesen Augen versunken. So sehr, dass sie zu allem Ja und
Amen gesagt hätte, wenn sie nur mit ihm … Sie sprang auf.
»Sven Gerling verhören«, sagte er, »wenn er gesteht, wird er
wahrscheinlich ausgeliefert.«
»Ist er der Mörder?«
»Das wird sich erst herausstellen.« Ach ja. Er erzählte ihr
nichts über seine Fälle. Das durften Polizisten eben nicht. Vielleicht war es
besser so.
Statt weggeschickt zu werden, fühlte sie sich auf einmal wie
ein kleines Mädchen, das in der Schule brav den Erwartungen der Erwachsenen
entsprochen hat und nun nach Lob und Belohnung gierte.
Sie zwang sich, loszulassen, sich von seinem Blick
loszueisen.
»Na gut. Ruf mich an, wenn du zurück bist, vielleicht können
wir was unternehmen.« Berenike hustete.
»Gern, Nike.« Er flüsterte. »Ich freu mich.«
Er hob eine Hand, eine sachte Berührung an ihrer Wange, in
ihrem Haar. Sie winkte ihm, als er mit seiner Kollegin ins letzte wartende Taxi
stieg. Plötzlich allein, prallte sie zurück und fiel wieder auf die Bank neben
Ellen.
»Der Schalter macht gerade auf«, sagte Ellen mit ihrer kühlen
Stimme.
»Super, gehen wir.«
Beim Gang durch den Sicherheitscheck brach Ellen
zusammen. Ein Piepsen, als sie durch die Schleuse ging, die freundliche Frage
eines Beamten – und aus war es. Sie blieb stehen.
»Ich kann nicht. Mein Herz.« Ellen tastete mit einer Hand
nach der Brust. »Es pocht so laut und schnell. Berenike … ich hab Angst.«
Irgendwo gabelte Berenike einen Sanitäter auf. »She’s under
big stress«, versuchte sie dem Mann zu erklären. Er führte sie in einen kleinen
Raum, wo er Ellens Blutdruck maß. Nach einer Weile wurde Ellens Atem ruhiger.
»Everything is allright«, beruhigte der Sanitäter.
»Can we fly?«
»Yes.«
Sie wurden von einem Auto zum Flieger gebracht. Echtes
Last-Minute, wer hatte das schon.
Im Flugzeug sah Ellen sich um. Berenike räusperte sich, die
Luft war trocken, das Gebläse laut. Immerhin hatten sie dank Ellens
Panikattacke Sitze in der ersten Reihe bekommen. Der Flieger war ohnehin nur
zur Hälfte besetzt. Auf die Vorführung der Sicherheitshinweise folgte ein trotz
ihrer Eskapaden pünktlicher Start.
Ellen antwortete erst jetzt. »Was, wenn er es nicht war?« Sie
spielte mit der Schnalle des Sicherheitsgurtes.
»Sven hat dich bedroht, Ellen. Er hätte dich bald umgebracht.
Denk daran – bis der Tod euch scheidet!«
»Ja. Aber wenn er nun unschuldig ist?«
»Woran?«
»An den Frauenmorden.«
»Das wird die Polizei herausfinden.«
»Geh, hör mir auf mit der Polizei.«
»Du hast wohl keine guten Erfahrungen mit ihr gemacht?«
»Das ist eine Untertreibung. Sie wollte ein Betretungsverbot
aussprechen, nachdem er mich …«
»Was?«
»Verprügelt hat er mich. Selma wusste Bescheid. Ich wollte,
dass es sonst niemand erfährt. Wie wär ich denn dagestanden? Aber was soll mir
ein Betretungsverbot helfen? Nach zwei Wochen ist Sven zurück und wütender als
zuvor. Und ich hätt ihn wirklich verloren.«
»Willst du ihn etwa immer noch, nach allem, was er getan
hat?«
»Das ist nicht so einfach zu erklären.«
»Nein. Natürlich nicht.« Berenike hatte viel über die
widersprüchlichen Gefühle von Gewaltopfern gehört, auch von Selma. Wenn der
vermeintlich Liebste zum Schlimmsten wurde, was durchaus passieren konnte. Der
unbekannte schwarze Mann war ein Gerücht, ein Ablenkungsmanöver, Berenike
dachte wieder an das Märchen von Rotkäppchen. »Fürchterlicher Gedanke, mit
einem Mörder das Haus geteilt zu haben. Ich kann es mir vorstellen.«
»Gar nichts kannst du. Du warst nicht verheiratet mit ihm.«
In Ellens Augen Seen voll Traurigkeit, voll Abschied. »Er war mein Traumprinz,
mein Held.« Ellen sah aus dem kleinen Fenster. Das Flugzeug stieß gerade durch
die Wolkendecke. »Er war so romantisch. Ich war so jung, als ich Sven
kennengelernt hab. Ich wollt ihn zuerst nicht, weißt du. Aber er hat
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