Ausgetanzt
als hätte
jemand das Gewicht ihres ganzen Lebens daran festgemacht.
Jonas schüttelte den Kopf.
»Oder das Werkzeug, mit dem Caro verstümmelt wurde?«
Wieder ein Kopfschütteln von Jonas. »Aber wir sind dran, es
wird überall gesucht. Jede Menge Polizei im Einsatz.«
»Und was ist mit dem Messer, das Adi fallen gelassen hat?«
»Kein Kommentar.«
»Könnte es aus Katharinas Frisiersalon stammen, was meinst
du?«
»Kein Kommentar.«
»Hör auf damit. Du kannst nicht hier reinschneien und dich
dann mit ›kein Kommentar‹ rausreden!« Sie sah Jonas an. Der starrte stumm
zurück. Sein linkes Auge zuckte. Diese Augen! »Also hast du auch diesen
Verdacht. Muss es noch untersucht werden, hm? Ach, ich vergaß, du darfst mir
nichts sagen.«
»Nike, es ist besser für dich!«
»Ich weiß selbst, was gut für mich ist. Du weißt doch, mit
meinen Erlebnissen … Ich fühl mich halt sehr betroffen von so einem Mord.«
»Das weiß ich doch, Nike.« Er sah sie lange an. Lange und
warm. Herzenswarm. »Wir tun alles, was wir können, Berenike. Wirklich. Beim
letzten Trafikantenmord in Graz hatten wir den Täter binnen zwei Tagen.«
»Ach ja. Gratuliere.« Zynisch, so hörte es sich sogar in
ihren eigenen Ohren an. »Da wirst ja bald eine Belobigung bekommen, nicht wahr?
Steigst jetzt auf in der Hierarchie, ja?«
Wieder sah er sie an. Anders. »Es gibt sogar eine
Sonderkommission.« Als Berenike nicht reagierte, fuhr er fort: »Also gut, du
willst es nicht anders. Caro Thalhammer ist gestorben, weil ihr der Täter die
Kehle durchgeschnitten hat. Um circa acht Uhr abends, wenn du ’ s
genau wissen willst, ist der Tod eingetreten. Schätzt der Gerichtsarzt. Die
Hauptschlagader wurde durchtrennt, da spritzte das Blut nur so. Gefällt dir die
Vorstellung? Soll ich weitermachen, ja?« Er sah sie lauernd an, so kannte sie
ihn nicht. Sie nickte, fühlte sich wie die Maus vor der Katze. »Sie hat
innerhalb einer Minute das Bewusstsein verloren. Das Gehirn bekam keinen
Sauerstoff mehr. Herzstillstand innerhalb weniger Minuten. Zersägt wurde sie
erst nach dem Tod. Und an einem anderen Ort. Den wir nicht kennen. Genügt dir
das?«
Wie entsetzlich, sie schluckte. Jenseits der Vorstellung und
dennoch spielten Bilder vor ihrem inneren Auge das Grauenhafte wieder und
wieder ab, ein Endlos-Loop. Ihr Magen revoltierte, sie schluckte nochmals.
Jetzt keine Schwäche zeigen! Rasch nippte sie am Tee, drängte das Unwohlsein
damit zurück, ein wenig nur, nur jetzt.
»Stell dir vor, Caro hätte das bei vollem Bewusstsein erleben
müssen, wie eine irrwitzige Zirkusattraktion in zwei Hälften geteilt zu
werden!« Berenike fühlte sich so hilflos bei dem Gedanken daran. Dieses Thema
ließ sie nicht kalt, konnte sie gar nicht kalt lassen. Nicht, seit sie selbst
zum Opfer geworden war, vor Jahren – verjährt, vielleicht, aber nie vergessen,
wie auch.
»Ja«, stimmte ihr Jonas müde zu.
»Und, ist Katharina verdächtig? Sie und Ellens Mann haben
Caro als Letzte lebend gesehen. Und sag jetzt nicht ›Kein Kommentar‹!«
»Nein.«
»Was, nein?«
»Nein, ich sage es nicht mehr. Nike, das ist alles nicht mehr
als Gerüchteküche. Ich darf dir von den polizeilichen Ermittlungen nichts
berichten, das weißt du doch.«
Sie griff nach der Tasse, war plötzlich am Verdursten. Der
Tee schmeckte süß und belebend, wie wohltuend. Aber was half ihr das,
angesichts Caros Tod! Jetzt zurücksinken, mit Jonas reden, wie ein Paar
stinknormale Gespräche führen. Tee trinken und die Welt da draußen sich selbst
überlassen. Caros Tod vergessen. Aber das ging nicht.
»Was war mit Adi? Hat er was Vernünftiges von sich gegeben?«
Jonas schüttelte den Kopf. »Das war zu befürchten. Er konnte
nicht sagen, woher er das Messer hat. Selma Stauder hat ihn in Schutz genommen,
sie traut ihm keinen Mord zu, sagt sie.«
»Dieser Meinung sind nicht alle, wie ich gehört hab.«
»Nein, aber solange es
keine Indizien gegen ihn gibt …«
»Befand sich menschliches Blut an dem Messer? Also … Caros
Blut?«
»Ja. Nike, mehr kann ich dir wirklich nicht sagen. Es wird
erst untersucht.« Er wischte sich über die Lippen.
»Das Messer ist also die Tatwaffe?«
»Das werden wir sehen, auch das wird noch genauestens
untersucht. Wann hast du Caro zuletzt gesehen?«
Berenike spürte mit einem Mal die Anspannung im Körper. Diese
Verkrampfung jedes einzelnen Muskels, sogar im Gesicht. Sicher wirkte ihr Auge
noch schiefer als sonst. Sie ächzte. Da war keinerlei
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