Ausgetanzt
Raum war mit
teuren Möbeln ausgestattet, aber auf dem gläsernen Designerschreibtisch
herrschte Chaos.
Sie wollten alle hineinströmen, Jansky hielt sie zurück. Er
winkte Sven zu sich, der einen Moment hilflos wirkte. Der Polizist schloss
hinter ihm und Hochfeld die Tür. Und da standen sie wieder, wie bestellt und
nicht abgeholt.
Sven machte ein fürchterliches Gesicht, als er zurückkam. Er
trug eine steinerne Miene zur Schau, presste die Lippen zusammen und sagte
etwas, das sich anhörte wie »Scheißweiber, sogar als Tote.«
Als Nächster kam Mehmet dran, der nicht ohne Berenike
aussagen wollte. »Meine Vertrauensperson«, wiederholte er ein ums andere Mal.
Im Gespräch mit den zwei Polizisten äußerte er nichts Neues. Wenn er der Mörder
war, verstellte er sich hervorragend.
»Sie dürfen gehen«, sagte Jansky endlich, obwohl Hochfeld ihn
zweifelnd ansah. »Sie überhaupt, Frau Roither. Bitte. Sie haben hier nichts
verloren.«
»Also dann«, sagte sie draußen zu Mehmet. Sie stiegen in den Lift.
»Da hast du wohl umsonst Angst gehabt. Und denk dran …, klär die Sache mit
Amélie und Hepsen.«
»Ja.« Er nickte, mit einem Mal eifrig. Berenike sah ihn nicht
überzeugt an. Der Lift brachte sie ruckelnd nach unten. Endlich im Freien,
verschwand Mehmet in der kühlen Nachtluft … wie ein Phantom.
Zwanzig
Pfefferminztee
Neuer Tag, neues Glück. Oder so. Berenike war
schon mal schwungvoller aufgestanden. Nach einer Katzenwäsche schleppte sie
sich ein paar Häuser weiter ins Café Goldegg. Letzte Nacht war es so spät
gewesen, dass an das Erreichen des Frühzuges nach Bad Aussee nicht zu denken
gewesen war. Bis zum nächsten blieb noch Zeit.
Auf dem Weg durchs Stiegenhaus hörte sie ein Geräusch, so
leise, als ob es sich selbst wohl gern verborgen hätte. Sie meinte, an einer
Tür eine Bewegung wahrzunehmen, doch als sie näherkam, war da nichts, nur die
glitzernden Messingbeschläge und der mahagonifarbene Lack.
Vor dem Café stieg ein älterer Mann aus einem Auto. Er ging
um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür. Sehr zuvorkommend, wollte
Berenike schon denken, da begann er, auf eine alte Frau zu schimpfen, die sich
mithilfe eines Stocks herausmühte. »Nimm deine Handtasche! Bist du blöd?«
Weißhaarig war die Dame und klapprig, sah ängstlich zu dem
Mann auf.
»Lassen Sie sich nicht beschimpfen!«, rief Berenike. Die Frau
sah sie an, schien unfähig zu sein, etwas zu erwidern.
»Mischen Sie sich nicht ein«, schimpfte der Mann.
»Mit Ihnen red ich nicht.«
Berenike näherte sich dem Eckcafé. Die gelbe Fassade hieß sie
im Morgenlicht willkommen. Völlig überraschend schien seit der Früh die Sonne,
die Luft wirkte klar, der Dunst hatte sich endlich verzogen. Im Café war es
ruhig. Die Fenster waren weit geöffnet, die Sonne beleuchtete altmodisches
Interieur, zu dem auch ein Billardtisch zählte. Karambol, natürlich. Berenike
bestellte eine Eierspeis und Brot, dazu Pfefferminztee.
Was für eine Nacht! Sie erinnerte sich kaum mehr daran, wann
sie zuletzt ein Privatleben gehabt hatte. Ein Radio dudelte. ›Grausamer Mord in
Wiener Firmenzentrale‹, hieß es, ›Karrierefrau tot aufgefunden‹. Müde schnappte
sich Berenike eine Illustrierte. Doch auf die aktuellen Tops und Flops der
Promis konnte sie sich kaum konzentrieren. Also beobachtete sie die anderen
Gäste, schaute aus dem Fenster, sah der Kellnerin zu. Aß mit Hingabe die
knusprig gebratenen Eier mit Zwiebeln und Tomaten. Der Tee belebte sie ein
wenig. Gierig trank sie von dem dazu servierten Wasser. Sie dachte an alles und
nichts. Ob das wohl schon Zen war …
Zurück in der Wohnung von Horsts Schwester, warf sie ihre
Siebensachen in die Reisetasche, als es läutete. Sie erwartete eigentlich
niemanden, erst Horst ein wenig später, um sie zum Bahnhof zu bringen. Berenike
ließ ihre rote Seidenbluse fallen und ging zur Tür. Kaum ein Lüftchen regte
sich, obwohl sie durchziehen ließ. Sie drückte das Ding mit Kamera, das ihr
Horst kurz erklärt hatte. Früher hätte so etwas einfach Sprechanlage geheißen.
»Ja bitte?«
Auf dem Bildschirm erschien eine magere Gestalt, verzerrt,
schwarz-weiß. Jeans, eine Kapuze verdeckte das Gesicht. Wer immer es war, er
oder sie hatte die Schultern hochgezogen.
»Kann ich mit dir reden? Bitte!«
Die Stimme kam Berenike bekannt vor. »Gül, bist du das? Was
machst du hier?«
»Lass mich rein, bitte. Ich muss –«
Drrrr. Berenike drückte den Öffner, der wenigstens mit
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