Ausgetanzt
zu.
Kaum ein Zentimeter Abstand war noch zwischen den beiden.
Revierverhalten, kaum eine Regung in den verbissenen
Gesichtern. Dann ließen sie voneinander ab.
»Gehen wir den Ablauf des Abends noch einmal durch. Am besten
fangen wir bei dir an, Joe Willinger«, der Mann im Anzug wandte sich an den
Jeansträger, der bisher kaum ein Wort gesagt hatte. »Du wolltest in dein Büro,
um zu telefonieren, kaum dass Frau Starkmann weg war. So hast du zumindest
behauptet.«
»Bezichtigst du mich der Lüge?« Farbe kam in Willingers
Gesicht zurück, als er Möller ungnädig ansah.
»Ich halte nur die Fakten fest. Bist du der Starkmann
gefolgt?«
»Natürlich nicht. Ich war in meinem Büro, habe mein Telefonat
geführt und anschließend eine Zigarette geraucht. Du weißt, dass in den Gängen
und Meetingräumen Rauchverbot herrscht.«
»Ja, zum Glück. Wir werden deine Angaben überprüfen, Joe.«
»Spiel dich nicht zum Ermittler auf, Möller!« Willinger trat
mit neuer Energie auf den feinen Berater zu und bohrte mit einem Finger in
seine Brust. »Was hast du in der ganzen Zeit getan?«
Der Anzugmann schnappte kurz nach Luft. »Darauf gehen wir
später ein.« Er nahm Sven ins Visier.
»A-aber«, murmelte Willinger, Möller beachtete ihn nicht.
»Als Nächster haben Sie, Herr Gerling, den Raum verlassen. Wir alle wissen,
dass es zwischen Ihnen und Frau Starkmann … nun ja, Konflikte gab. Sie
hat Sie karrieremäßig überholt und wollte Sie nach Bulgarien abschieben.«
Sven ballte die Hände zu Fäusten.
»Dabei habt ihr beide gleichzeitig bei Koromar angefangen.
Sie war clever und hat es nach oben geschafft. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr
Gerling. Sie sind ja nur um Ihr … Privatleben bemüht. Ihre Neidkomplexe und
Ihre aufbrausende Art sind leider nicht unerkannt geblieben.«
Mit einem einzigen Satz sprang Sven auf Möller zu. »Lassen
Sie Ellen aus dem Spiel! Ich an Ihrer Stelle«, fauchte er ihn an, »würde mich
nicht so aufführen. Wer hat ein mehr als eigenwilliges Verhältnis zur Chefin
gehabt? Zu dieser rücksichtslosen, karrieresüchtigen Person? So etwas ist
unnatürlich. Eine Frau gehört ins Haus.«
»Mein Privatleben geht keinen was an«, zischte Möller, seine
Stimme scharf wie ein Messer.
»Ich denke, jetzt schon.« Sven richtete sich zu voller Größe
auf, zeigte seine starken Schultern, die trainierten Armmuskeln. Er sah Möller
grinsend an. Der Ausdruck in seinem Gesicht erinnerte an einen Wolf, einen Wolf
vor dem Angriff.
»Reden wir noch von Ihnen, Herr Yilmaz.« Möller ließ Sven mit
seinem Testosteron links liegen und wandte sich an Mehmet. »Sie sind mit dem
Handy rausgegangen.«
»Ach? Ist das verboten, Herr Möller? Sie selbst waren allein
mit Frau Starkmann im Raum, als ich wieder zurückkam. Wer weiß, was in der
Zwischenzeit wirklich passiert ist?«
»Nicht, dass mich jetzt alle verdächtigen, weil ich mit
unserer Chefin allein im Raum war.«
»Was sollen wir sonst glauben?«
»Mörder!«, zischelte es. Berenike sah sich um, doch sie
wusste nicht, wer das Wort ausgesprochen hatte, das hart und klar im Raum
stand.
»He, nur mit der Ruhe. Die Polizei ist da und wird sich um
alles kümmern.«
»Wer es glaubt. Einige sind doch immer gleicher als gleich.«
Sven sah Möller mit kaum unterdrückter Aggression an. Als würde er jeden Moment
losspringen wollen, weil die Beute so nah war, wie ein wildes Tier, das den besten
Zeitpunkt für den Angriff abwägt.
Da öffnete sich die Tür des Meetingraums. Jansky kam heraus,
Hochfeld ihm nach, offensichtlich lechzend nach Koffein. Berenike erhaschte
einen Blick auf die Tote. Und auf den Arzt, der einen länglichen, schmalen
Gegenstand in der Hand hielt. Eine Feile? Eine etwas größere Nagelfeile, genau.
Sie musste an Kaiserin Elisabeth von Österreich denken, die mit einem solchen
Werkzeug erstochen worden war. Der Mörder hatte ihr am Ufer des Genfer Sees
aufgelauert, hatte sie angerempelt. Erst am Schiff war die Monarchin
zusammengebrochen. Man hatte zunächst einen Schwächeanfall vermutet, ausgelöst
durch den Schock. Erst spät hatte man das kleine Mordwerkzeug entdeckt, das
kaum eine Blutspur hinterließ. Und dann fiel Berenike das Gerücht vom
Beautykiller ein. Der würde zu Sisi passen …
Mit Donnerhall schlug die Tür zu. Berenike hörte, wie Jansky
um einen Raum für die Zeugenbefragungen bat.
»Kommen Sie, bitte.« Möller in seinem Anzug ging voran und
bot ihnen sein Büro an. »Bitte, fühlen Sie sich wie zu Hause.« Der
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