Ausgetanzt
Zug. »Du hast mir nichts zu befehlen,
Jonas. Und überhaupt. Was kann ich dafür, wenn Mehmet mich anruft?«
»Mehmet?«
»Die Tote war eine Kollegin von ihm, besser gesagt, seine und
Svens Chefin. Er hatte Angst, als Türke gleich verdächtigt zu werden.«
»So, Sven hast du auch gesehen?«
»Ja – kurz.«
»Und wo steckt er jetzt?«
»Keine Ahnung. Irgendwo in Wien wird er schon sein.«
»Berenike, verarsch mich nicht.«
»Aber woher denn. Ich hab ihm gesagt, dass ihr ihn sucht.«
»Er hat aber noch nicht angeru …« Ein Tunnel schluckte seine
nächsten Worte. »… Amtshilfe … ermittelnde Beamte … Fahndung«, drang es
undeutlich an Berenikes Ohr.
»Jansky leitet die Ermittlung. Auf den stehst du doch, Jonas,
oder?«
»Bitte, Nike«, hörte sie Jonas jetzt wieder klar und
deutlich, »spar dir die Scherze. Die Sache ist ernst.«
»Davon hab ich bis jetzt nichts bemerkt.«
»Dieser Fall ist anders, schwieriger. Wir haben Pech, der
Täter hat Glück. Aber wir werden ihn kriegen.«
»Habt ihr schon einen Anhaltspunkt?«
»Die Ermittlungen sind in vollem Gange. Das ist mein Job,
Nike. Übrigens hat Hans nach dir gefragt, als ich im Lokal war. Dort ist dein
Job.«
»Ach!« Irgendwie hatte er ja recht …
»Und was tut sich sonst in Aussee?«
»Das Hochwasser im See geht langsam zurück.«
»Das ist gut so.« Beim Gedanken an ihren Salon fiel Berenike
tatsächlich ein Stein vom Herzen. Sie fühlte sich leicht werden, leicht und
frei.
»Also dann, gute Fahrt. Und sei vorsichtig.«
»Ich kann auf mich aufpassen, Jonas. Ciao.« Sie drückte den
roten Knopf. Schade, Handys konnte man nie so schwungvoll auf die Gabel werfen
wie den Hörer beim Festnetztelefon.
Im Abteil stand die Luft. Seit man im Zug kein
Fenster mehr öffnen konnte, vermischten sich die Körpergerüche der Leute ins
Unerträgliche. Aber was sollte es? Sie würde ein Nickerchen einlegen, Ohropax
sei Dank.
Der Hektiker mit seiner stummen Freundin stieg zum Glück in
Linz aus. Eine Frau gegenüber las eine Tageszeitung. ›Blutiger Mord in Wiener
Konzernzentrale‹, schrie die Schlagzeile. Berenike wollte sich damit nicht mehr
beschäftigen. Jetzt reichte es wirklich. Sie dachte an die Natur im
Ausseerland, an das Rauschen der Wellen im See. Das würde sie besänftigen, heil
machen, wie schon einmal in ihrem Leben.
Wie im Flug verging die Fahrt. Vogelflug, dachte Berenike.
Frei sein … Sie ließ ihre Blicke über die Landschaft schweifen. Traunsee,
Traunstein, die Kaiserstadt Bad Ischl. Weiter ging die Fahrt entlang des
romantischen Hallstätter Sees. Die Wasser der Traun rauschten noch wilder als
sonst, Berenike erschauderte.
Kaum stand Berenike auf dem Bahnsteig in Bad Aussee, blies
ein Sturm ihr durch und durch. Egal, sie sog heftig die gute Luft ein. Es
regnete, aber was machte das schon, hier.
Vor dem kleinen Bahnhof lief ihr Jonas in die Arme. Der Herr
Bezirksinspektor. »Hallo, Jonas.« Ruhig bleiben, Berenike. Einmal sanft sein,
bei sich bleiben. Dabei tat ihr schon der Magen weh von dem ganzen Ärger.
»Hast du Feierabend?«
Jonas schüttelte den Kopf.
»Hast du meine Ankunft abgepasst?«
»Keine Spur davon, Nike. Ach, Nike!« Seine Hand streckte sich
nach ihrem Haar aus, verharrte dann in der Luft. »Was ist denn? Ich wollt dich
abholen!«
»Ja?« Sie war misstrauisch, aber vielleicht … vielleicht war
er wirklich nur nett.
Er nickte, irgendwie brav. Deutete auf seinen Wagen. Ein
Blondschopf auf dem Beifahrersitz. »Ich bin im Dienst. Das ist meine neue Kollegin,
Mara Wander. Der Kollege Schlager ist in Pension gegangen.«
»So so, im Dienst bist du.« Die Kollegin sah jung aus. Zu
jung. Ein seltsamer Stich durchfuhr Berenike. Eifersucht, wie lächerlich. Aber
wenn man 37 war, bald 38 wurde und die Falten am Kinn hasste, dann war alles
ein Grund zum Unwohlsein, was jünger aussah. Ihr Alter zu akzeptieren, daran
musste sie noch arbeiten. Man war ja immer nur so alt, wie man sich fühlte,
hieß es.
»Nike, ich bitte dich, lass uns vernünftig reden. Nicht
streiten. Ja, Nike? Komm, ich lass mich ablösen und fahr dich nach Hause!«
»Jetzt auf einmal hast du Zeit für mich?«
Er nickte und funkte nach den Kollegen, damit jemand an
seiner Stelle die Observation aufnahm. Wenig später kam eine Funkstreife
angerauscht. Inspektor Kain stieg aus und hob grüßend die Hand, ein weiterer
Uniformierter blieb sitzen. Die Kollegin von Jonas stieg auch aus. Lange Beine,
Wahnsinn. Berenike ließ sich auf den
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