Ausgeträllert (German Edition)
nicht.«
»Doch’n Schluck?«, fragte sie und hielt mir ihren Becher hin. Ich nickte und sie fuhr fort: »Der Matti hat gesagt, dass der Seidel gesagt hat, er hätte eindeutige, unzweifelhafte Beweise dafür, dass der Rudi die Reifen geklaut hat. Vorgelegt vom Diebstahlsopfer.«
»Scheiße.«
»Mein Reden.«
Ich trank den Becher auf ex und sagte: »Da hat der Knipser alles drangesetzt, um rauszufinden, wer ihm die Reifen geklaut hat. Aber wirklich alles. Der ist doch total bescheuert! Was hat der denn für Beweise in der Hand?«
Elli schlug sich mit den Händen auf die Schenkel und sprang vom Hocker auf. »Ruf den doch an und frag ihn, wass’er für Beweise hat. Dem Rudi seine Zukunft steht auffem Spiel!«
Rudis Zukunft gegen mein Seelenheil. Nachdem ich in den letzten Monaten fast überhaupt nicht mehr an meinen Ex gedacht hatte, war er mir für meinen Geschmack in den letzten 72 Stunden geradezu überpräsent. Und jetzt sollte ich auch noch mit ihm reden?
Schade, Rudi, du wirst bei der Entscheidung immer den Kürzeren ziehen, dachte ich. Aber ein Blick in Ellis Augen ließ mich eine Meinungskehrtwende um 180 Grad machen. Ich konnte die Reifen an meinem schlechten Gewissen geradezu quietschen hören und sagte: »Weißt du was, Elli? Mir fällt nur einer ein, der Rudi helfen kann: Doktor Doktor Herzig.«
Huh! Gerade noch rechtzeitig war mir der beste Strafverteidiger, den Bochum zu bieten hatte, eingefallen. Herzig gehörte sozusagen zur Familie, vor allem seit er mit Oma Bertis Freundin, Carmen Sawatzki, zusammen war.
Elli winkte ab und sagte: »Ja, toll. Die Idee hatte Matti auch schon. Glaub’ste, der ist dämlich?«
»Ja, und? Dann ist doch alles bestens. Der Herzig ist das Tollste, was die Bochumer Anwaltschaft zu bieten hat. Der holt den Rudi da wieder raus.«
»Der ist aber nicht da«, sagte Elli. »Der ist mit Carmen Sawatzki auf Weltreise, im Augenblick irgendwo zwischen Australien und Hasse-nich-gesehen, auf so’nem Luxusliner.«
»Mist«, sagte ich.
»Eben«, sagte Elli. »Und jetzt erst mal’ne Wurst. Ich kann nich’ mehr denken.«
»Wie spät ist es, Elli?«
Sie holte ihr Handy aus der Hosentasche und sagte: »Gleich halb sieben.«
»Okay, ich hab’s eilig.« Ich nahm die Plastiktüten aus dem Waschbecken und ging zur Tür.
»Wo willst du denn hin?«
»Verabredung mit einem Ritter und einem Zwerg.«
»Und was ist mit Rudi? Lässt du mich jetzt im Stich? Ich weiß doch gar nicht, wie ich hier ohne den weitermachen soll. Is ja sonst keiner da ...«
Ich blieb stehen, atmete tief durch und drehte mich noch mal um. »Ich lass dir den Wodka hier. Was ist denn eigentlich mit Jaqueline? Du hast doch gesagt, die will hier anfangen. Da kann sie doch auch beim Renovieren helfen.«
»Die kommt nich’. Jetzt, wo ich nich’ mehr aktiv bin, kriegt die den Mund nicht mehr zu. Warum sollte sie da aufhören?«
»Oh, das tut mir leid«, sagte ich. »Du wirst jemand anderen finden. Bestimmt.«
»Kannst du denn nicht ...?«
»Elli. Eins nach dem anderen. Und im Renovieren bin ich die totale Niete, glaub mir.«
»Und wodrin bist du gut?«
»Das hab ich jetzt nicht gehört. Tschüss.«
Ich bin in ganz vielen Dingen gut, Elli, hätte ich sagen können, aber mir war auf die Schnelle nichts Passendes eingefallen.
1 Siehe
umgenietet
- Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz
Kapitel 10
Ich lief auf dem Weg zum Café Madrid an der Litfaßsäule am Imbuschplatz vorbei, als mich der Anblick eines Plakates wie ein Fausthieb in den Magen traf. Auf dem Plakat war Dolores La Rose, genannt ›Die Bochumer Nachtigall‹, zu sehen. Eine Sängerin, die Ende der 80er mit zwei Diskohits die Hitparaden aufgemischt hatte, und dann, nach einigen Flops, als Mireille-Matthieu-Klon in den Strudel der Schlagerparade eingetaucht und abgesoffen war. Zurecht, wie mir schien: Selbst der deutsche Schlager hält Liedzeilen wie:
Komm, wir teilen uns die Sterne – die so heiß glühn über Herne
... oder
Baby, Baby, wenn ich dich tanzen seh ... mit einer andern, tut das weh
... auf Dauer nicht aus.
Das Plakat wirkte auf mich bedrohlich: A-tens erinnerte es mich daran, dass nach dem Konzert ein Job drohte, der bis dato noch nicht abgesagt war. B-tens meinte ich, die fotografische Handschrift des Knipsers zu erkennen. Ich inspizierte das Plakat, konnte aber nicht viel erkennen, denn es war mittlerweile zu dunkel geworden. Ich holte mein Feuerzeug aus der Tasche und leuchtete das Bild ab – und
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