Ausgeträllert (German Edition)
mit ausnehmend guter Laune vor meiner Wohnungstür an. Dort versperrte mir ein blauer Müllsack den Weg, auf dem ein Zettel klebte:
Deine nassen T-Shirts. Du hast mir drei gute Blusen versaut. Die setz ich Dir auf die Rechnung. Fünf Monate WG und sechs Blusen waren entschieden zu viel für unsere Freundschaft. Wilma
Ich ließ den Müllsack, wo er war, und zeigte Doktor Thoma erst mal sein neues Heim. Kaum hatte ich die Transportbox geöffnet, schoss er mit gesträubtem Fell davon und flitzte unters Folterbett.
Ich rappelte mit dem Futterkarton, vergeblich. Einem Kater, dem in den letzten Wochen und Monaten mit Lammkoteletts und gebratenen Sardinchen der Hof gemacht worden war, brauchte ich mit so was gar nicht zu kommen. Ich warf mich aufs Bett und wippte ein bisschen auf der Matratze, was bei Doktor Thoma keine Wirkung zeigte.
»Du könntest mitwippen ... ist gut für die Figur«, sagte ich und guckte unter das Bett. Der Kater fauchte und drehte mir den Rücken zu.
Ich ging in die Küche, setzte einen Kaffee auf und holte den Müllsack rein. Muffig-feuchter Geruch schlug mir aus dem Wäschehaufen aus Kochschürzen und Küchen-T-Shirts entgegen, die allesamt blassrosa eingefärbt waren. Der Übeltäter, eine rote Papierserviette, die bei Heibuchs für die Buffets mitgeliefert wurden, steckte noch in einer Schürzentasche und war in der Wäsche zu einem fast farblosen Klumpen zusammengeschnurrt.
Ich spülte alle Sachen in der Badewanne durch und hängte sie ins Schlafzimmer an die Folterwand. Die Schürzen drapierte ich auf dem Gynäkologenstuhl. Bis das alles trocken war, musste ich eben Mattis graues T-Shirt noch mal wenden, was, wenn ich heute Abend nicht verabredet wäre, gar kein Problem darstellen würde. Aber so? Ich öffnete den Schrank in der Diele, in dem ich meine spärliche Garderobe untergebracht hatte. Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte. Die Ersatzjeans sah genauso aus wie die, die ich zurzeit anhatte, und das graue T-Shirt blieb das graue T-Shirt. Ich ging ins Schlafzimmer und betrachtete die Korsage, die an der Wand hing. Ob ich es wagen konnte, die mal anzuprobieren? Ein Griff an meine Taille hielt mich davon ab, die Idee weiter auszuspinnen. Stattdessen probierte ich die Lackstiefel an und stakste ein paar Schritte durch die Wohnung. Wie sollte ich damit unfallfrei bis zum Café Madrid kommen? Ich betrachtete mich im Spiegel und fand, dass mir zu Pretty Woman ungefähr zwanzig Zentimeter Länge an jedem Bein fehlten, und beendete das Experiment. Ich hatte Roland vom roten Phoenix schließlich auch als Pesthexe mit Filzkappe und dreckigem Gesicht gefallen, was sollte da noch schiefgehen? Schließlich plante ich nicht den Beginn einer neuen Beziehung. Spätestens morgen oder übermorgen wäre er schon auf dem nächsten Mittelaltermarkt und würde sich die nächste Tusse in Filz anlachen. Wenn überhaupt irgendwas laufen würde, dann
Kick and Run
und nicht
For Ever Yours
. Da brauchte ich mir über indiskutable Sockenfarben, Labelmix und Übergewicht gar keine Gedanken zu machen.
Doktor Thoma sprang aufs Bett und maunzte.
»Was ist? Stimmt was nicht mit dem Zimmerservice?«, fragte ich.
»Maaoooooooh!«, kam es aus den Tiefen der übergewichtigen Pelzkugel.
»Tut mir leid, gegrillte Babytintenfischchen in Knoblauchöl sind grad aus, mon capitaine. Ich hätte da aber noch den Trockenfuttermix anzubieten. Huhn, Lamm, Fisch.«
Der Kater sprang vom Bett und stolzierte davon, um es sich auf der Fensterbank im Wohnzimmer bequem zu machen. Ich hatte ihm extra eines der zahllosen geblümten Zierkissen hingelegt, das er sofort mit seinen ausgefahrenen Krallen bearbeitete.
»Ja, ja, ich weiß. Es ist nicht leicht, sich von Raouls Sterneküche zu verabschieden. Aber es ist besser für deine Figur.«
Ich öffnete ihm das Fenster und zeigte hinaus: »Wenn du dich nicht benimmst, endest du neben Schätzken. Das ist ein Pudel. Ich glaube, ihr werdet euch nicht verstehen. Und bilde dir bloß nicht ein, dass ich Geld für Swarovski-Steine ausgeben werde, um dir einen Grabstein schnitzen zu lassen.«
Im selben Augenblick kam die Bahn aus Wanne-Eickel vorbeigerauscht und der Kater fiel beinahe ohnmächtig vom Fensterbrett. Er flitzte spuckend ins Bad.
»Je eher du dich dran gewöhnst wieder am Ende der Karriereleiter angekommen zu sein, desto besser. Und komm bloß nicht auf die Idee, Raoul anzurufen und dich übers Essen zu beschweren«, rief ich und stellte Futter und Wasser in der Küche für
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