Ausgeträllert (German Edition)
ich schnell, denn ich hatte plötzlich die allergrößten Befürchtungen, dass er mich auf Finnisch anschnurren könnte, um mich zum Essen einzuladen. Was, wenn ich dann nicht in der Lage wäre, nein zu sagen?
»Zweiundsechzig Komma vier!? Hab ich doch glatt zwei Kilo runter«, rief Mia, als sie aus dem Bad kam. »Du hast ja einen Luxus hier.«
»Kannste kaufen, Mia«, sagte ich, froh über die Unterbrechung meiner schwer wiegenden Gedanken. »Mit der blöden Waage weiß ich wirklich nix anzufangen.«
»Soll ich nicht doch lieber bleiben, Frau Margret?«, sagte Matti.
»Nein, nein, alles bestens … Tschüss, gute Nacht. Und vergessen Sie Ihr Jackett nicht.« Ich drückte es ihm in die Hand und schob die Bagage aus der Tür.
»Hyvää yötä«, sagte Matti und lächelte.
Als die Haustür hinter den dreien zugefallen war, drehte sich Elli zu mir um und sagte: »Schade, dass ich eigentlich nur auf so kleine Meister Proper stehe, wie der Rudi einer is’. Wenn der Matti in mein Beuteschema passen würde …«
»Was dann, Elli?«, fragte ich ungeduldig und unterdrückte einen Rülpser.
»Heidewitzka – würd’ ich mit dem inne Sauna gehen. Wann triffste schon mal’n Mann, der immer im richtigen Moment die Klappe hält? Also eigentlich immer? Wär’ der nix für dich? Du redest doch eh für zwei.«
»Danke für den Tipp. Gute Nacht.« Ich schlug die Tür zu – aber im Bett war ich deswegen noch lange nicht. Mein Magen und die Portion Pommes frites hatten ein ganz anderes Freizeitprogramm für mich parat. Und so verbrachte ich einen nicht unerheblichen Teil der Nacht auf dem Transitweg zur Toilette auf dem Flur und zurück ins Bad, um mir das Gesicht zu waschen und war sehr froh, dass niemand – kein Ritter, kein Zwerg und auch kein Matti, mir dabei Gesellschaft leistete. Das, was meine innere Stimme zu sagen hatte, ging gnädigerweise im Rauschen der Klospülung unter. Ich verpasste lediglich den aktuellen Highscore auf meiner Aschenputtelskala. Als ich das letzte Mal in der Nacht auf allen vieren aus dem Bad kroch, riefen mir die Leuchtdioden zu: 80,98 Kilo. Mit Handtuch.
Kapitel 12
Am nächsten Tag saß ich um 10.55 Uhr inmitten des kleinen Häufleins stummer Heibuch-Mitarbeiter, die sich in der Cateringküche versammelt hatten. Da alle etwas blass um die Nase waren, fiel mein desolater Zustand nicht weiter auf. Die Crew vom
Pommes King
, bestehend aus Trudi, Gustav und Jorgo, saß eng aneinandergedrängt auf ihren Stühlen; Fanny und Doris von der Metzgerei hielten sich an den Händen, und Gudrun, die das Büro organisierte, starrte mit leerem Blick auf den Fußboden.
Auf einer Anrichte standen Kaffee und Schnittchen bereit, aber niemand hatte etwas davon angerührt. Alle warteten auf die Chefin und das, was sie uns mitzuteilen hatte.
Kaum war der Zeiger der großen Küchenuhr auf die volle Stunde gerückt, ging die Tür auf und Petra kam herein. Als Zeichen der Trauer trug sie eine schwarze Binde über dem rechten Ärmel ihres Metzgerkittels.
»Guten Morgen, alle miteinander«, sagte sie. »Warum nehmt ihr nicht von den Schnittchen, und schenkt euch doch bitte Kaffee ein. Hat alles Wolfi hergerichtet.«
Keiner rührte sich vom Fleck. Petra nahm das große Tablett und schritt unsere Reihe ab. Jeder nahm anstandshalber ein Brötchen, aber keiner biss hinein.
Sie stellte das Tablett zurück, strich den Kittel glatt und sagte: »Nun, ich hätte mir gewünscht, der Anlass unseres Treffens wäre ein anderer.«
Fanny und Doris fingen prompt an zu schluchzen. Gudrun nestelte ein zerknülltes Taschentuch aus dem Ärmel ihrer schwarzen Bluse. Jorgo holte unter seinem Stuhl eine große Küchenrolle hervor, riss einzelne Blätter ab und reichte sie herum. Petra wartete, bis sich alle wieder beruhigt hatten.
»Bitte«, sagte sie. »Ich weiß, dass alle traurig sind. Der schreckliche Tod meines Mannes nimmt uns alle mit. Besonders Dennis. Er ist noch im Krankenhaus. Aber es geht ihm schon besser. Die Ärzte hoffen, dass er in ein paar Tagen wieder entlassen werden kann.«
»Er ist doch noch keine dreißig!«, quiekte Gudrun.
»Wir sprechen später darüber. Bitte beruhige dich ... Ja, ähm. Das ist vor allem für Wolfi sehr wichtig. Ich bitte euch alle, dafür zu sorgen, dass sein Leben so normal wie möglich weitergeht.«
Einige nickten und die beiden Damen aus der Metzgerei seufzten: »Der arme Junge ...«
»Und um allen Spekulationen entgegenzutreten«, fuhr Petra fort, »die Firma Heibuch wird weiter
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