Ausgeträllert (German Edition)
Petra«, sagte ich. »Ich lass mir was einfallen.«
»Wir dürfen nur den Auftrag nicht verlieren. Wolfi hilft dir. Er kann das. Aber wenn ich zwei Tage den Pommes King zumachen muss, dann ... Und gib nicht so viel Geld aus für den Einkauf.«
»Schon klar ... Petra, ähm ... es ist besser, du ziehst den Kittel aus«, sagte ich. »Ich meine, wenn du zur Polizei willst.«
Sie knöpfte hastig den Kittel auf, zog ihn aus, warf ihn auf den Beifahrersitz und stieg ein. Als sie die Tür zuschlug, schaute sie mich mit ihren Rehaugen an und kurbelte die Scheibe herunter. »Ich muss zu diesem Kommissar Blaschke. Ich weiß gar nicht, was ...«
»Der ist in Ordnung«, sagte ich nur.
»Meinst du, der hat schon einen Verdächtigen?«, fragte sie.
»Petra, ich weiß es nicht. Vielleicht geht es auch nur um irgendwelche Formalitäten ... die Freigabe der Leiche ...« Ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn Petra startete wie in Panik den Wagen und fuhr los.
Vielleicht würde mir Jorgo doch helfen. Oder Trudi. Mit Gustav war eh nie was anzufangen, der bewegte sich nur, wenn ihm jemand die Finger in die Steckdose hielt, was für gewöhnlich Trudis Aufgabe war. Aber in der Küche war niemand mehr. Von einer Sekunde auf die andere war ich zur Cateringchefin avanciert – ich, die ich von Tuten und Blasen auch nicht den Hauch einer Ahnung hatte. Die einzige, weil authentische Reaktion, die mir dazu einfiel war: Panik.
Mit weichen Knien überquerte ich den Hinterhof und ging ins Büro. Gudrun saß weinend hinter ihrem Schreibtisch. Ihre Lesebrille, die sie an einer goldenen Kette um den Hals trug, baumelte vor ihrer Brust. In den Brillengläsern standen bereits kleine Tränenpfützen.
»Gudrun, hier muss doch irgendwo der Schnellhefter rumliegen mit der Planung für dieses Catering. Günter hat doch immer einen angelegt.«
»Hier ist nichts«, schluchzte sie. »Deh...ehe...hr Gü...ünni hatte, hat ... Ich hab schon gesu...uhucht ... und die Petra auch.«
»Ist schon gut. Such ich eben noch mal. Der Schnellhefter müsste doch rot sein.«
Der Kunde bekam einen gelben oder grünen, und Günni hatte immer einen roten. Und wenn auch nur ein von Günni beschriebenes Blatt drin wäre – es würde mir heute Nachmittag den Hals retten. Ich schaute im Aktenschrank nach, in Heibuchs Schreibtisch, in der Zettelablage. Nichts. Gudrun verfolgte meine Suche mit Argusaugen. Als ich fertig war und sie wieder ratlos anschaute, hielt sie mir etwas hin.
»Hier«, sie drückte mir einen kleinen Zettel in die Hand. »Da steht der Name und die Uhrzeit drauf von dem, dem Racic. Die, die Chefin hat gesagt, du, du ... kannst ein Auto nehmen ...« Sie schob einen Schlüssel über den Schreibtisch.
»Danke. Ist das das Auto, das Günni gefahren hat? Ich meine .. harch, du weißt schon, welches ich meine.«
»Das ist noch bei der Polizei«, greinte sie und warf sich schluchzend über den Schreibtisch. Ich hörte die Brillengläser knacken und verließ fluchtartig das Büro, um meine Suche in der Cateringküche fortzusetzen.
Kochbücher, Rezepte, Bedienungsanleitungen, alte Wegbeschreibungen, alle noch aus der Zeit vor dem Navigationsgerät, fielen mir aus einem Hängeschrank entgegen. Aber kein roter Schnellhefter.
»Hausmannskost ist babyleicht«, sagte plötzlich jemand hinter mir.
»Wolfi, du hast mich zu Tode erschreckt.«
»Ja«, sagte er, drehte sich um und fing an, die Unterschränke auszuräumen. »Babyleicht.« Wolfi war guter Laune wie immer. Er folgte einfach seiner Routine und sortierte, wie jeden Tag, die Küche neu.
»Hast du den roten Schnellhefter gesehen? Irgendwo hingeräumt?«, fragte ich.
»Rot, Rot ... Ich habe Rot in der Vorratskammer. Rot, Rot war gestern. G. Gestern. G. Gestern. Gestorben. Gegrillt. Gekillt. Geköpft. Geschröpft ...«
Oh je, Wolfis Festplatte hatte sich verhakt und ich sagte schnell: »Ich geh nachsehen. Komm mit. Komm. Los komm!«
Manchmal half es, wenn man ihn mit einer anderen Aufgabe konfrontierte. Er folgte mir in die Vorratskammer und deklamierte weiter: »Gekotzt, gemotzt, gerotzt ...«
»Es reicht, Wolfi. Hilf mir, den Ordner suchen.«
Ich ging die Regale im mittleren Gang durch und entdeckte Wolfis Rot-Sortiment. Plastiksiebe, Rührlöffel, Schüsseln, allen möglichen Kram, der ihm zum Thema Rot eingefallen war – der Feuerlöscher lag dementsprechend neben den Gläsern mit eingelegter Paprika.
Mittlerweile war seine Psalmodiererei in ein hartes Stakkato übergegangen. Er stand
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