Ausgeweidet (German Edition)
dem Widerling aufgelauert habe.«
Auf dem Weg zum Auto lacht Maria laut auf. »Was für eine wunderbare Person!« Clemens starrt seine Kollegin entgeistert an. Er hat selten eine so eigensinnige Zeugin befragt und ist es gewohnt, dass die Menschen ihm, falls sie nichts Unrechtes getan haben, bereitwillig Auskunft geben. Aber Erika Wagner ist eindeutig eine Nummer für sich. Wortlos startet er den Wagen und fährt über die Grafenberger Allee Richtung Innenstadt.
»Wie schätzt du sie ein?« Clemens unterbricht die Stille. Er kann sich keinen Reim auf das Gespräch und die Aussagen von Frau Wagner machen.
»Schwer zu sagen. Entweder ist sie Zockerin und hat Nerven aus Stahl, oder es ist nur ein dummer Zufall, dass sie die Patentante von Frau Hartmann und von Marie und zugleich Jägerin ist.«
»An Zufälle glaube ich nicht, aber auf jeden Fall ist sie ein harter Brocken, liebenswürdig, mit Haaren auf den Zähnen. Und wenn du mich fragst, sagt sie grundsätzlich jedem, was sie denkt, auch wenn sie nicht gefragt wird.« Nun muss auch er schmunzeln.
»Dass sie uns ihre Waffen überlässt, ist sehr nett. Vielleicht weiß sie nicht, dass unsere Kriminaltechnik trotz des Reinigens einiges herausbekommen kann«, überlegt Maria.
»Die Waffen hätten wir so oder so bekommen. Aber vielleicht weiß sie mehr, als wir ihr zutrauen. Dass sie gestern mit dem Gewehr geschossen hat, macht es für Schoeller und seine Leute schwierig. Und ob Pia Cremer die große ballistische Untersuchung genehmigt, die ein Schweinegeld kostet, kann ich nicht einschätzen.«
13.
Montagmittag Polizeipräsidium. Kurz vor zwölf fahren Maria und Clemens mit dem Aufzug in das Kellergeschoss des Polizeipräsidiums. Die Katakomben, wie die Räume unter den Kollegen genannt werden, beherbergen das KK 43. In den gewölbeartigen Kellern sind die Labors der Spurensicherung und der Kriminaltechnik untergebracht. Hier befindet sich das Reich von Armin Schoeller.
Vom Aufzug gehen die beiden Hauptkommissare einen langen Gang entlang, der durch Neonröhren in grelles Licht getaucht ist. Überall hängen Überwachungskameras an den Decken, deren kleine rote Birnen, die seitlich angebracht sind, immer dann aufblinken, sobald sie einen Besucher ins Visier nehmen. Am Ende des Ganges befinden sich, durch eine große, weiße Stahltür mit einem kleinen vergitterten Fenster abgetrennt, die kriminaltechnischen Büros. Clemens gibt seinen Code in die Tastatur am Eingang ein, bestätigt und tritt einen Schritt zur Seite, damit auch Maria ihre Zahlenkombination eintippen kann. Dann öffnet sich die schwere Tür wie von Geisterhand, langsam und lautlos. Dahinter führt ein weiterer Gang tiefer ins Innere. Hohe Glaswände trennen die einzelnen Labore und Büros. Eine eigentümliche Atmosphäre herrscht hier. In jedem Labor stehen Hightech-Apparaturen, die farbig blinken, komische Geräusche machen und auf deren Monitoren Sinuskurven und mathematische Berechnungen zu erkennen sind. Wie unter einer Glasglocke bewegen sich die Mitarbeiter, konzentriert und bedächtig, ohne die Hektik, die in den oberen Stockwerken ausbrechen kann. In einem der hinteren Büros finden sie Schoeller, der an seinem Stehpult Berichte durchsieht. Als er Maria und Clemens bemerkt, winkt er sie in seinen Glaskasten. Er begrüßt sie heute mal nicht grantelig, sondern ist ausgesprochen guter Laune.
»Was kann ich für euch tun?« Neugierig schaut er auf die längliche Polyestertasche, die Clemens über der Schulter trägt.
»Wir haben dir die drei Waffen von Erika Wagner zur ballistischen Untersuchung mitgebracht«, entgegnet Clemens und schiebt nach einer kurzen Pause nach: »Leider sind sie schon gereinigt, und aus dem Kleinkalibergewehr wurde erst gestern geschossen.«
Schoeller zieht eine Augenbraue hoch. Dann packt er die Gewehre aus und betrachtet sie in aller Ruhe.
»Du weißt schon, dass wir da womöglich nur mit der großen ballistischen Untersuchung zu handfesten Ergebnissen kommen, die auch vor Gericht Bestand haben?«
Clemens bejaht.
»Dann lass mal deinen Charme spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Pia Cremer das genehmigt.«
Clemens lächelt. Der Kriminaltechniker wird sich schon etwas einfallen lassen, egal ob die Oberstaatsanwältin ihre Zustimmung gibt oder nicht.
Auf dem Rückweg müssen beide an der großen Stahltür erneut ihre Codes eingeben, um den Laborbereich wieder verlassen zu können.
»Ich komme mir vor wie im Hochsicherheitstrakt«, rutscht es Maria
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