Ausgeweidet (German Edition)
Büttner, bei dem musst du dein ganzes taktisches Können ausspielen. Der lässt dich sonst auflaufen. Aber wer könnte uns besser Auskunft über Briest geben als er?« Clemens nickt Christian aufmunternd zu und wendet sich erneut an Flemming.
»Und Hendrik, du hältst den Kontakt zu Hummel und Schoeller, ob es da was Neues gibt. Maria und ich werden jetzt Erika Wagner einen Besuch abstatten und anschließend bei Sieglinde Frank vorbeischauen, dem früheren Kindermädchen der Briests. Spätestens um achzehn Uhr treffen wir uns wieder hier.«
Kaum sind die Aufgaben verteilt, strömen auch schon alle auseinander.
Auf dem Hof des Polizeipräsidiums spricht Clemens einen jungen Polizisten an, der gerade mit seinem Kollegen in einen Streifenwagen einsteigen will.
»Könnt ihr uns zur Nordstraße mitnehmen?«
Maria schaut ihn verwundert an.
»Ich habe mein Auto gestern dort stehen lassen.«
Sie verdreht die Augen und raunt ihm zu: »Du bist doch sonst so korrekt.«
»Und wann soll ich es abholen? Wir haben volles Programm.«
Der junge Streifenpolizist schaut unsicher zu seinem älteren Kollegen hinüber, der Clemens und Maria mit einer Handbewegung zu verstehen gibt, dass sie mitfahren können.
Nachdem Clemens ausgestiegen ist, bedankt er sich durch das offene Fenster bei den Kollegen und schließt dann die Beifahrertür seines Wagens auf. Kaum sitzen die beiden im Porsche, nimmt Maria ihn ins Gebet. »Wegen so einer Kleinigkeit kannst du richtig Ärger bekommen.«
»Ja, ja, ist schon gut«, erwidert er etwas ungehalten. Doch Maria lässt nicht locker. »Du weißt selber, dass es Kollegen gibt, die auf deine Erfolge neidisch sind.«
Clemens steckt sich eine Zigarette an und öffnet das Fenster einen Spalt breit.
»Und Mönnekes fühlt sich von dir nicht ernst genommen. Wenn dem so etwas zu Ohren kommt, kann er ganz schnell Stimmung gegen dich machen.«
»Schau mal lieber, ob du das Haus von Erika Wagner findest, das müsste hier gleich sein.«
Die 78-jährige Dame wohnt im Zooviertel in der Goethestraße. Zwischen den Häusern aus den 1950er- und 1960er-Jahren gibt es noch eine Vielzahl von stattlichen Gründerzeitvillen. Das Haus von Frau Wagner fällt etwas kleiner aus. Für dieses Viertel eher eine Ausnahme, kein Königinnenbalkon, aber ein altes Patrizierhaus mit Jugendstil-Ornamenten, gepflegt und in Anthrazit, Grau und hellem Gelb gehalten. Früher wohnte in diesem Haus eine Familie mit Dienstboten, später wurde jede Etage zu einer eigenständigen Wohnung umgebaut.
Mitte der 1960er-Jahre hat Erika mit dem Geld, das ihr als Lastenausgleich zugesprochen worden war, das Jugendstil-Haus erworben. Damals schon ein kleines Vermögen, ist das Haus heute ein Vielfaches wert. Über die Jahre hat sie das Innere zurückbauen lassen. Im Keller, wo früher Heizungsanlage und Küche untergebracht waren, befinden sich nun diverse Räume. Das Erdgeschoss wird durch einen großen Eingangsbereich dominiert mit angrenzendem Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und Gästetoilette. Eine alte Holztreppe mit herrschaftlich anmutendem, roten Teppichläufer führt in den ersten Stock. Hier befindet sich ein großes Schlafzimmer, Bad und Ankleidezimmer. Im Dachgeschoss, wo früher die Dienstboten untergebracht waren, hat sie sich eine Bibliothek eingerichtet, ein Gästezimmer und ein kleines Bad.
Freundlich, doch etwas verwundert, Besuch von der Polizei zu bekommen, bittet sie die beiden herein. Der angebotene Kaffee wird dankend angenommen, er dient dazu, den Polizisten etwas Zeit zu verschaffen, um sich ungestört umsehen zu können und sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Clemens ist begeistert. Bei alten Menschen ist er es gewohnt, dass ältere Möbel und viel Nippes, ob nun wertvoll oder nicht, das Interieur bestimmen. Ganz anders bei Erika Wagner. Stilvoll ergänzen sich hier Antiquitäten mit Designermöbeln und alte Meister mit moderner Kunst. Nichts steht herum. Und doch sind die Räume mit Leben erfüllt.
Erika Wagner kommt mit einem Tablett ins Wohnzimmer und steuert auf die Sitzecke am Kamin zu. Nachdem sie eingeschenkt und sich gesetzt hat, blickt sie die beiden neugierig an.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie souverän, ihr Lächeln wirkt sympathisch.
»Wie stehen Sie zu Senta Hartmann?« Clemens fragt direkt, ohne Geplänkel. Er schätzt Erika Wagner als resolute Frau ein, die nicht um den heißen Brei herumredet, klare Fragen schätzt und auf den Punkt kommt.
»Steht Ihr Interesse an meiner Person
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