Ausgeweidet (German Edition)
Vorspeise kann ich Ihnen ›Soupe de poissons‹ oder ›Pâté maison‹ anbieten, als Hauptgericht haben wir ›Loup de Mer‹ oder ›Entrecôte charolaise mariné‹, als Nachtisch ›Crème Brûlée‹ oder ›Assiette de Fromages‹. Wenn Sie einen Salat wünschen, können Sie zwischen zwei Kreationen wählen: unserem ›Salade Bonemine‹ mit gebratener Hühnerleber, Speck, Champignons, Sellerie, Mais, Tomaten und Paprika oder unserem ›Salade des Pyrenées‹, einem Feldsalat mit überbackenem Ziegenkäse und Croûtons.«
Clemens entscheidet sich für die Fischsuppe, und Maria wählt die Pastete. Entspannt blinzelt er in die Sonne und schaut sich interessiert um. Er genießt diese kleinen Auszeiten, da kann er Menschen beobachten und seinen Gedanken nachhängen. Maria musste es erst lernen, diese kleinen Verschnaufpausen für sich zu nutzen.
Als der Ober die Fischsuppe auf einem viereckigen tieferen Teller vor Clemens abstellt, ist dieser sehr angetan: Mehr Fisch als Suppe und es duftet köstlich. Kaum sind sie mit der Vorspeise fertig, kommt Sieglinde Frank an ihren Tisch.
»Ich hoffe, es hat Ihnen geschmeckt?«, fragt sie.
Clemens steht auf, begrüßt sie und stellt seine Kollegin vor. »Das Essen war vorzüglich. Haben Sie nun Zeit, sich mit uns zu unterhalten?«
Sie nickt und setzt sich zu den beiden an den Tisch.
»Ich muss gestehen, bis heute habe ich Ihr Restaurant nicht gekannt, aber ich bin begeistert. Das Essen war wirklich ausgezeichnet, und die Atmosphäre hier, sagenhaft, man glaubt, in einem kleinen Ort in Südfrankreich zu sein, und nicht mitten in Düsseldorf.«
Die Besitzerin lacht, und die beiden erkennen: Hier hat jemand seine Profession gefunden.
Clemens beginnt das Gespräch entspannt, und schon bald haben sie eine Menge über Sieglinde Frank erfahren. Sie hat das Restaurant von einem älteren Franzosen übernommen. Einen Teil des Personals hat sie behalten und zwei neue Mitarbeiter eingestellt. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger hält sie ihre Speisekarte klein. Jeden Tag etwas anderes, jeweils zwei Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts und natürlich zwei Salate zur Auswahl. Das Besondere an ihrer Küche ist, dass sie alles selbst frisch zubereitet. Bei ihr gibt es keine Convenience, weder bei den Beilagen, den Salaten noch bei den Soßen. Auch bei Fleisch und Meeresfrüchten hat sie ihre ganz speziellen Lieferanten. Da landet auch schon mal eine ganze Rinderhälfte in ihrer Küche. Clemens hört gespannt zu, und auch Maria merkt man das wachsende Interesse an der kleinen gastronomischen Einführung an.
Schließlich kommt der Hauptkommissar auf das eigentliche Anliegen zu sprechen und bittet die Gastronomin, ihr Verhältnis zu Frau Hartmann zu erläutern und Auskunft über die Drohung vor Gericht zu geben, die sie gegenüber Briest geäußert hat.
Senta und Sieglinde sind alte Schulfreundinnen. Damals waren sie in derselben Clique. Nach dem Abitur haben sie sich aus den Augen verloren. Als Senta ein Kindermädchen suchte, haben gemeinsame Freunde sie, Sieglinde, empfohlen. Sie berichtet von ersten Auffälligkeiten und der Scham, Senta darauf hinzuweisen. Sie habe Briest nie ausstehen können. So ein selbstgefälliger Typ, der alles andere als charmant gewesen sei, der ihr immer zu verstehen gegeben habe, sie sei nur das Kindermädchen.
»Wissen Sie, nach der Urteilsverkündung war ich sehr aufgebracht. Meiner Meinung nach hat man Marie hintergangen. Niemand der Anwesenden, ob Gutachter, Juristen oder die Verfahrenspflegerin, hat eine Vorstellung davon, wie der Missbrauch das Leben von Marie geprägt hat.«
»Haben Sie Ihre Drohung denn ernst gemeint?«, fragt Maria.
»Oh ja, ich hätte ihn am liebsten angesprungen. Aber ich habe mich wieder beruhigt.«
»Irgendjemand hat sich aber nicht beruhigt«, erwidert Clemens, der von Sieglinde nur ein Schulterzucken als Antwort bekommt. Das Alibi von Frau Frank ist mehr als dürftig. Sie habe sich am Nachmittag, nachdem sie alles für den Abend vorbereitet habe, zu Hause noch etwas hingelegt. Um neunzehn Uhr dreißig sei sie dann zurück ins Restaurant gekommen, um das Team in der Küche zu unterstützen. Die Küche sei bei ihnen immer bis dreiundzwanzig Uhr geöffnet. Danach habe sie sich in ihr Büro zurückgezogen, um die nächste Woche zu planen. Es sei ja nicht nur das Kochen, es müsse ja auch im großen Stil eingekauft werden. Die Vorratshaltung sei auch ziemlich aufwendig, und dann die Buchhaltung. Die mache zwar ein
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