Ausgeweidet (German Edition)
Gerichtsakten.
»Und?«
Maria schüttelt den Kopf.
»Ich gehe mal zu Schoeller.« Schon ist der Hauptkommissar erneut verschwunden. Doch auch Schoeller hat keine neuen Ergebnisse. Er kehrt missmutig zurück. Gerade sind Florian, Christian und Sonja von den Befragungen zurückgekommen. Auch sie machen keinen zufriedenen Eindruck.
»Kommt, wir setzen uns kurz bei Hendrik zusammen«, schlägt Clemens vor. Florian erzählt, dass er die direkte Nachbarin von Erika Wagner nochmals befragt hat.
»Sie macht einen ziemlich neugierigen Eindruck, und doch will ihr nichts aufgefallen sein. Ich habe aber nicht locker gelassen.«
»Und, was hat sie gesagt?« Clemens ist ungeduldig.
»Na ja, sie hat Frau Wagner am Freitag gesehen, als diese von ihrem Spaziergang kam, völlig erschöpft und verschwitzt. Und sie hat auf eine freundliche Bemerkung von ihr ziemlich barsch reagiert, was noch nie vorgekommen ist, sagt sie.«
»Wann war das?«
»Gegen neunzehn Uhr. Genau wollte sie sich aber nicht festlegen. Könnte auch etwas später gewesen sein.«
»War das alles?«
»Nein. Sie hat gesehen, dass es trotz des milden Wetters aus dem Schornstein von Frau Wagner gequalmt hat wie im tiefsten Winter.«
»Was hat die für eine Heizung?«
»Frau Schulze, die Nachbarin, meint Ölheizung.«
»Ich habe zwei Nachbarinnen von Frau Frank befragt«, berichtet nun Christian auf der Heide. »Beiden ist in letzter Zeit nichts Besonderes aufgefallen. Sieglinde Frank verlässt ihre Wohnung morgens sehr früh, kommt meist um sechzehn Uhr nach Hause, um dann wieder am frühen Abend zum Restaurant zu gehen. Dort bleibt sie in der Woche bis Mitternacht und am Freitag und Samstag meist noch länger. Sie scheint nicht viele Hobbys zu haben. Lediglich sonntags ist sie immer unterwegs. Eine der beiden Frauen ist im gleichen Sportverein wie Frau Frank, daher kennen sie sich etwas. Es ist ein ungewöhnlicher Sport.«
»Doch nicht etwa Sportschützin?«, ruft Clemens.
»Nein, nein, sie ist Bogenschützin.«
»Ist ja interessant. Und wie lange macht sie das schon?«
»Wohl schon ein paar Jahre, und sie scheint gut zu sein. Immerhin nimmt der Verein sie zu Wettkämpfen mit«, erklärt Christian.
Clemens wirkt beflügelt und spricht Hendrik an. »Wolltest du nicht schon immer mal etwas Sport treiben?«
Hendrik verzieht den Mund.
»Okay, verstehe. Verrate uns lieber, ob eine gute Bogenschützin auch das Zeug haben könnte, mit einem Kleinkalibergewehr umzugehen.«
Der Hauptkommissar, sichtlich besserer Laune, wünscht den Kollegen noch gutes Gelingen, er müsse endlich mal Besorgungen machen, käme aber spätestens in zwei Stunden zurück. Er ist mit Alexander in der Destille auf der Bilker Straße verabredet. Dort können sie sich ungestört unterhalten, und das Essen ist lecker. Clemens schaut auf seine Armbanduhr. Noch hat er Zeit, um endlich mal wieder einzukaufen. Dann muss er zwar mit den Einkaufstüten in die Kneipe, aber das ist ihm jetzt egal. Er geht zu Fuß zur Hohe Straße.
Die Hohe Straße im Herzen der Carlstadt ist eine der beliebtesten und interessantesten Einkaufsstraßen Düsseldorfs. Dort gibt es einen einmaligen Branchen-Mix: Delikatessen-Geschäfte, Art-Déco-Läden, Antiquitätenhändler, Restaurants und Fachgeschäfte für Mode, Bootsbedarf oder Bettenkultur. Diese Straße zieht mittlerweile Touristen aus aller Welt an. Hier werden aber auch die Bedürfnisse des täglichen Lebens gestillt, und so sucht Clemens erst einmal die Bäckerei Hinkel auf, um sich ein »Schlesisches Brot« einpacken zu lassen. Als er bei Münstermann an der gut bestückten Wursttheke steht, fängt sein Magen an zu knurren.
Die rundliche Verkäuferin begrüßt ihn freundlich. Er ist schon seit Jahren Kunde, ein gern gesehener, denn er zelebriert das Einkaufen und weiß Qualität zu schätzen. Doch heute ist er ein bisschen in Eile und hat keine Zeit zum Fachsimpeln, also werden die Standards eingekauft: fünfzig Gramm Mailänder Salami, fünfzig Gramm original Mortadella, fünfzig Gramm Paprikasalami und vier Scheiben San Daniele. Kaum hat er das Päckchen in den Händen, eilt er zur Käsetheke: ein kleines Stück Emmentaler Bergkäse, den kleinsten Brie au point und ein Epoisse, den weichen Stinkkäse liebt er besonders. Nachdem er alles an der Kasse in eine Plastiktüte gepackt hat, hetzt er hinaus, um bei Rewe am Carlsplatz Milch und Butter zu besorgen. Ein erneuter Blick auf die Uhr lässt ihn vermuten: Alexander ist bestimmt schon am
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