Ausgezählt
Frau fehlt dir«, mutmaßte Lara. Wenn sie enttäuscht war, ließ sie es sich nicht anmerken.
»Nicht mehr.«
»Ich hab Thomas sehr vermisst. Lange Zeit. Dabei war unsere Ehe eigentlich schon im Eimer. Wenn das Baby nicht gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht von ihm getrennt.«
»Ich fand, dass ihr gut zusammengepasst habt.«
»Da bin ich mir nicht mehr so sicher.«
Nach einer Weile erklärte Bruno: »Seit ein paar Tagen bin ich einer großen Sache auf der Spur. Ein Drogenring, der die Schickeria der Stadt versorgt. Zumindest einen Teil davon. Wenn ich den Organisator kenne, habe ich auch Ebis Mörder.«
Lara hob ihr Gesicht von seiner Schulter. Ihre Augen schimmerten im Mondlicht.
»Ich hab dich damals gefragt, ob Ebi und Helmer sich kannten. Jetzt weiß ich, dass Helmer kein Amokläufer war. Er wartete auf Ebi mit dem Vorsatz, ihn zu erschießen. Jemand hat Helmer dafür bezahlt.«
Sie brachten ihre Klamotten in Ordnung.
Lara sagte: »Pass auf dich auf.«
56.
Kurz nach Mitternacht erreichte Bruno die Achillesstraße. Als er die Haustür aufschließen wollte, vernahm er rasche Schritte. Er griff unter seine Jacke – im Hosenbund steckte die Pistole.
Ein rostiger Kleinwagen stand in einer Einfahrt. Ein junger Bursche saß am Steuer. Ein Mädchen war ausgestiegen und lief auf Bruno zu.
Es war Hannah.
»Ist die Party schon zu Ende?«, fragte er.
»Nein, sie geht gleich erst richtig los. Wir sind auf dem Weg dorthin.«
Bruno deutete auf die Rostlaube. »Wer ist der Typ?«
»Sascha.«
»Welcher Sascha?«
»Der Visagist, von dem ich dir erzählt habe. Eifersüchtig?«
»Was wollt ihr?«
Hannah rieb sich mit dem Finger unter der Nase. »Du hast versprochen, mich zu versorgen.«
Ein Auto fuhr vorbei. Ein Pärchen schlenderte die Straße entlang und blieb vor einem beleuchteten Schaufenster auf der anderen Seite stehen. Bruno wollte nicht hier draußen mit Hannah über Koks streiten.
Er nahm sie mit nach oben. Das Haar, das er mit Spucke an die Wohnungstür geklebt hatte, hing noch quer über der Ritze – er traute all den Blechen und Bolzen nicht und wollte sichergehen, dass ihn nicht ein Einbrecher überraschte, der sich auf das zerstörungsfreie Schlossöffnen verstand. Ein Sportsfreund der Sperrtechnik.
Bruno entriegelte die Tür. Er knipste alle Lichter an. Er fühlte sich nicht wohl in der eigenen Wohnung.
Hannah ließ sich auf das Sofa fallen. Sie starrte auf das zerfetzte Gemälde. »Was ist denn hier passiert?«
Bruno fragte: »Was hast du mit all dem Coke gemacht, das du gestern gekriegt hast?«
»Wir haben geteilt.«
»Wer ist wir?«
»Sascha. Ich war es ihm schuldig. Außerdem hat er mir versprochen, beim Spionieren zu helfen.«
»Bist du verrückt? Du kannst doch nicht mit irgendwelchen Koksfreunden über unsere Pläne quatschen!«
»Sascha ist nicht irgendein Koksfreund. Der Junge ist voll süß. Er will mich heiraten.«
»Ich dachte, er ist schwul.«
»Na und? Das macht vieles einfacher.«
Bruno wühlte in seiner Fotoausrüstung. Er öffnete Filmdosen und fand, was er suchte. Der Rest aus dem Toilettenkasten des Fotografen. Er hielt eine der beiden Kugeln ins Licht. Die Folie schillerte.
Bruno zog die Hand weg. Das Mädchen griff ins Leere.
»Gib schon her!«, zeterte Hannah.
»Das sind mehrere Gramm. Du musst mir versprechen, dass du damit eine Weile auskommst.«
»Gar nichts muss ich. Ich komm auch ohne dich an Stoff.«
»Indem du dich zur Nutte machst.«
Sie schmollte und sagte: »Der Geschäftsmann, der mich nach London mitgenommen hat, war ein richtiger Gentleman. Er hat mir eine Bulgari-Uhr geschenkt.«
Bruno gab ihr die Schneeportion. Schließlich hatte er seinem alten Trainer versprochen, sich zu kümmern. Eine Uhr trug Hannah nicht. Wahrscheinlich hatte das Mädchen sie längst versetzt.
Die Wohnungstür quietschte. Parkett knarrte. Schritte im Flur. Hannah hatte die Tür nicht geschlossen.
Bruno zog Kasimirs Waffe und zielte.
Ein schlaksiger Junge stand in der Tür. Er trug ein dünnes Bärtchen, das sein Kinn umrahmte. Der Kerl rief: »Ey, wie bist du denn drauf?«
»Tu ihm nichts, Bruno«, sagte Hannah. »Das ist Sascha.«
Sie begann, an der Folie zu zupfen.
Bruno warf die beiden hinaus. Er verschloss die Tür und lehnte die Schranktüren dagegen, die Kasimir aus den Scharnieren gerissen hatte. Die Waffe klemmte er in den Spalt zwischen Matratze und Bettrahmen.
57.
Bruno fuhr in die Emmastraße. Er fand den Altbau, in dem Lauffer wohnte, und
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