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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Die Gefühllosigkeit unterhalb des Knies machte Bruno verrückt. Die Ärzte hatten ihm versichert, es würde sich mit der Zeit geben.
    Seine Mutter kam mit zur Haustür. »Herr Farthmann glaubt, es sei ein Fehler gewesen, dass du im Dienstwagen sitzen geblieben bist.«
    Bruno brüllte: »SCHEISS AUF DEINEN HERRN FARTHMANN!«
    Er humpelte nach draußen. Schneegestöber, wie an besagtem Abend. Der Matsch auf dem Gehsteig machte Bruno zu schaffen. Auf dem alten Saab blieb der Schnee als dünne Schicht liegen. Bruno schloss auf und schob sich auf den Beifahrersitz.
    Immer die gleichen Fragen. Seit Bruno in der Klinik aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, suchte er nach Antworten. Und alle Leute bohrten in derselben Wunde. Sein Bettnachbar, nachdem sie den ARD-Brennpunkt verfolgt hatten. Die Schwestern, die ihn mit Zeitungen versorgt hatten. Die Kollegen vom Kommissariat für Tötungsdelikte, die den Fall bearbeiteten – insgeheim hielt ihn jeder für schuldig.
    Dabei hatte Ebi es so gewollt. Mit dem Kerl komm ich allein klar.
    Bruno erzählte es den Mordermittlern nicht. Es wäre schäbig gewesen, sich auf den toten Partner rauszureden. Er hätte nicht auf ihn hören dürfen.
    »Sie kann nichts dafür«, sagte Karen und fegte die Scheibe frei.
    Seine Frau hatte Recht. Er hatte zu oft seine Wut an Mutter ausgelassen. Schon als kleiner Junge, nachdem ihre Ehe mit Vater in die Brüche gegangen war.
    Karen war so besonnen und klug. Sie schirmte die Pressefritzen ab. Sie hielt die Ermittler hin, die ihn ein drittes und ein viertes Mal vernehmen wollten. Karen beschwichtigte den Zorn, der ihn überfiel, wenn er an die Heuchelei der Leute dachte – alle gaben sich freundlich, aber hinter seinem Rücken tuschelten sie.
    Karen versuchte, Bruno aufzumuntern und ihm die Selbstvorwürfe auszureden. Sie hielt nicht viel von seinem Job, aber sie war eine wundervolle Partnerin. Eigentlich viel zu klug für einen wie ihn.

5.
    Mitte Dezember besuchten ihn die Schnüffler zum zweiten Mal.
    Der eine zeigte auf Brunos Bein. »Wird das wieder?«
    »Der Arzt sagt, ja.«
    Bruno hinkte zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. Die beiden Kollegen vom Inneren Dienst folgten ihm.
    Er verknotete den Gürtel des Bademantels neu und bettete sein Bein auf den Beistelltisch. Es war dünn geworden. Er bewegte es zu wenig. Die Wundheilung schritt voran, nur der Nerv hatte sich noch nicht erholt. Ein Rest des Blutergusses drückte noch immer.
    Bruno bot keinen Kaffee an. Nichts von den Plätzchen, die seine Mutter gebacken hatte. Er wollte seine Ruhe.
    Es ging ihm besser. Die Krücken halfen. Die Beruhigungsmittel hatte er abgesetzt und bezahlte mit schlechtem Schlaf dafür – in seinen Albträumen knatterten Hubschrauber. Er durchlebte die Schüsse auf ihn und seinen Partner. Er bekam keinen mehr hoch, wenn Karen mit ihm schlafen wollte. Die Stiche im Bein, das taube Gefühl im rechten Fuß. Die Narbe des Wundkraters und die lange Naht, die von der Venenoperation geblieben war – alles erinnerte ihn ständig an die Schießerei.
    Er schämte sich vor Karen. Sie hatte Geduld. Sie studierte Psychoratgeber und cremte die Narben zweimal am Tag mit Bepanthen ein. Jeden Abend nahm sie ihn in den Arm.
    Die Mordermittler hatten den Fall zu den Akten gelegt. Die Schnüffler vom Inneren Dienst hatten ihn übernommen. Sie belästigten Bruno mit Fragen, auf die er keine Antwort wusste.
    Weshalb führte Thomas Eberhard die Kontrolle des BMW im Alleingang durch?
    Warum trug Ihr Partner siebenundzwanzigtausend Mark bei sich, als er starb?
    Woher hatte Eberhard die Kohle?
    »Haben Sie nachgedacht?«, fragte Karl Thann, der Chef des Inneren Dienstes.
    So ziemlich jeder in der Festung hasste die Schnüffler. Sie witterten den Gegner in den eigenen Reihen. Sie hängten Kollegen üble Dinge an und drängten Beamte aus dem Job. Keiner war perfekt, und daraus drehten Thann und Konsorten einen Strick.
    Bruno war dazu verdonnert, ihnen Rede und Antwort zu stehen. »Ich tu die ganze Zeit nichts anderes als nachzudenken.«
    »Und?«
    »Ich weiß es einfach nicht.«
    Möller, der zweite Schnüffler, hob den Deckel von der Plätzchendose. Er wühlte mit seinen Wurstfingern darin. »Finden Sie es nicht ungewöhnlich, dass Ihr Partner eine solche Summe in der Hosentasche stecken hatte?«
    Sie siezen einen, um Distanz zu schaffen, dachte Bruno. Um zu demonstrieren, dass sie etwas Besseres sind. Als würde ihre Scheiße nicht stinken, hätte Ebi jetzt gesagt. Wenn

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