Ausgezählt
hat.
18.49 Uhr: Ein Parkplatz am S-Bahnhof Bilk zwischen Getränkemarkt und In-Italiener. Die Kommissare Thomas Eberhard (40) und Bruno Wegmann (32) überprüfen einen tiefergelegten dunkelgrauen BMW 325i. Eberhard will die Papiere des Fahrers sehen. Später stellt sich heraus: Er heißt Michael Helmer, 28 Jahre alt, wohnhaft in Neuss. Seinen Führerschein hat er im April verloren – wegen Unfallflucht. Wurde schon einmal beim Fahren ohne Pappe erwischt. Vorbestraft. Er weiß: Wenn er jetzt geschnappt wird, sieht er den Führerschein auf Jahre nicht mehr. Ohne jede Vorwarnung feuert Helmer. Ein Projektil zerfetzt Eberhards Brust, ein zweites dringt in seinen Kopf. Der Beamte (verheiratet, ein Kind) ist sofort tot.
Eine Zeugin berichtet: »Der jüngere Polizist ließ sich aus dem Wagen fallen, wollte sich aus der Schusslinie bringen.« Der Mörder nahm auch ihn ins Visier. Drei weitere Schüsse aus seiner 9-mm-Pistole – einer von ihnen trifft Wegmanns Oberschenkel. Helmer gibt Gas. Der verletzte Beamte kann das Kennzeichen notieren. Der BMW verschwindet im Großstadtverkehr. Ringfahndung. 20.08 Uhr: Jetzt wird der Polizisten-Killer zum dreifachen Mörder. Im 18 km entfernten Grevenbroich (Kreis Neuss) – ein Kontrollpunkt im Rahmen der Fahndung. Polizeimeister Matthias G. (35) und Obermeisterin Ivonne L. (33) sitzen in ihrem Streifenwagen. Auf dem Bürgersteig vor dem Gasthof »Haus Dreikönig«. Der BMW nähert sich. Als er auf gleicher Höhe mit den Beamten ist, feuert Helmer aus dem Seitenfenster. Drei Schüsse, im Vorbeifahren. Die Polizeibeamten völlig überrascht – beide sterben durch Kopfschüsse.
Gegen 21.30 Uhr: Da weiß die Ehefrau des ersten Opfers schon, dass ihr Mann nie mehr nach Hause kommen und ihr kleines Kind für immer ohne Vater sein wird – der BMW wird gefunden. Am Waldrand auf einem Parkplatz der Rennbahn von Düsseldorf-Grafenberg.
Der Polizistenmörder mit einem Projektil im Kopf. Tot – die letzte Kugel gab er sich selbst.
Morgenpost, Donnerstag, 29.11.2001
ZEHNTAUSENDE POLIZISTEN ZU TRAUERMARSCH ERWARTET
STAATSANWALT: MOTIV DES SCHÜTZEN BLEIBT LETZTLICH UNGEKLÄRT
Düsseldorf/Grevenbroich. Der mutmaßliche Amokschütze vom Montag verübte nach den tödlichen Schüssen auf drei Polizisten Selbstmord. Das sei das Ergebnis der Obduktion, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf mit. Bei der Fahndung nach dem Mörder hatte die Polizei den Verdächtigen leblos in seinem Fahrzeug gefunden. Die Beamten hätten sich mit größter Vorsicht dem Wagen am Rand des Grafenberger Stadtwalds genähert. Spezialisten suchten Auto und Parkplatz nach Sprengstofffallen ab, die der Waffennarr und ausgebildete Bundeswehrschütze hätte hinterlassen haben können. Eine Wohnungsdurchsuchung hatte zuvor ergeben, dass der Arbeitslose im Besitz mehrerer Waffen und einer Handgranate gewesen war. Einen Waffenschein besaß er nicht.
Helmer war zeitweise in psychiatrischer Behandlung. Medienberichte, wonach Polizisten für ihn Feindbilder gewesen seien, weil seine Freundin ihn mit einem Beamten betrogen habe, dementierte die Frau. Sie attestierte Helmer einen Hang zur Gewalttätigkeit. »Michael war äußerst wankelmütig. Erst völlig normal, dann plötzlich durchgeknallt«, so die Freundin des mutmaßlichen Amokschützen in einem Fernsehinterview.
Am Montagabend hatte Helmer in der Nähe des Düsseldorfer S-Bahnhofs Bilk bei einer Routinekontrolle auf zwei Polizisten geschossen. Dabei starb ein 40-jähriger Hauptkommissar, zwei weitere Beamte hat Helmer auf seiner Flucht ermordet. Ein 32jähriger Kollege, der einen Beinschuss erlitten hat, schwebt nach Auskunft der Ärzte nicht mehr in Lebensgefahr. »Die Tat sucht in ihrer Art und Brutalität Vergleichbares«, so die Staatsanwaltschaft. Das »letztendlich ausschlaggebende Motiv« der Mordtat werde möglicherweise für immer im Verborgenen bleiben.
An den öffentlichen Gebäuden in Nordrhein-Westfalen wehen seit gestern die Fahnen auf halbmast. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) will am Freitag mit einem Schweigemarsch durch die Düsseldorfer Innenstadt der ermordeten Kollegen gedenken. Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet werden erwartet. Der Westdeutsche Rundfunk wird die zentrale Trauerfeier in der Johanniskirche live übertragen.
Der GdP-Vorsitzende Norbert Spinrath beklagte in der »Tagesschau« eine Zunahme der Angriffe auf Polizisten, wobei die Täter »mit gesteigerter Brutalität« vorgingen. Er appellierte an
Weitere Kostenlose Bücher