Ausgezählt
wieder kontrollierte er im Rückspiegel, ob die Schnüffler ihn verfolgten. Der Innere Dienst war zu allem fähig. Bei Observationen und Telefonüberwachungen gegen eigene Kollegen liefen Thann und seine Leute zur Hochform auf.
Im Kaarster Kreuz wechselte Bruno auf die A 57, im Dreieck Neuss-West auf die Route, die westwärts in Richtung Heinsberg führte. Er hielt sich auf der rechten Spur, rollte der tief stehenden Sonne entgegen und vertraute auf die Hilfe des Bremskraftverstärkers. An der ersten Ausfahrt verließ er die Autobahn.
In Liedberg endete die Ausbaustrecke. Zweimal war Bruno bislang hier gewesen, zur Einweihungsfeier im Sommer und zur Taufe des kleinen Fabian. Bruno fand den Weg trotzdem auf Anhieb. Das Dorf war übersichtlich.
Der Neubau wirkte einladend. Junger Efeu rankte die Wände hoch, weiße Sprossenfenster reichten bis zum Boden. Blumenbeete und zurückgestutzte Rosenbüsche. Laras Handschrift – keine Mauern, kein Zaun, kein Tor mit Überwachungskamera, wie Ebi und er es Einbruchsopfern in der Stadt empfahlen.
Als Bruno aussteigen wollte, riss ein Schmerz durch den Schenkel. Schweiß trat auf seine Stirn. Auf die Tür gestützt stemmte er sich ins Freie. Er angelte nach den Krücken. Die zweite war zwischen die Sitze gerutscht. Er bekam sie nicht zu fassen. Eine musste genügen.
Er humpelte auf die Haustür zu. Die Luft war kälter und klarer als in der Stadt. Auf dem Plattenweg war Sand gestreut.
Bevor Bruno die Klingel drücken konnte, riss Lara bereits die Tür auf. Als Ebi sie ihm vorgestellt hatte, war sie ihm wie einem guten Freund um den Hals gefallen und hatte Bruno mit einem Kuss auf beide Wangen begrüßt. Jetzt verschränkte sie die Arme und blieb in der Tür stehen.
»Was willst du?«
Die Witwe trug Jeans und Pulli in Schwarz. Lara war zwei Jahre älter als Bruno und hatte bis zur Geburt des kleinen Fabian als Sachbearbeiterin im Düsseldorfer Wissenschaftsministerium gearbeitet. Sie war schmal geworden und trug die zimtfarbenen Locken mit den blond gefärbten Strähnen zu einem Knoten gebunden, was ihren sonst so zarten Zügen eine ungewohnte Strenge verlieh.
Bruno erkannte, dass sie nicht weniger fror als er. »Darf ich reinkommen?«
»Ich wüsste nicht, was es zu bereden gibt.« Lara legte den Kopf schräg. Keine Farbe in ihrem Gesicht, kein Versuch, die dunklen Ringe um die Augen wegzuschminken.
In der Diele standen Pamperskartons mit Altpapier und leeren Flaschen. Der Alltag wächst ihr über den Kopf, dachte Bruno. Sie braucht Hilfe, hier draußen allein mit dem Kind.
Er fragte: »Hat Ebi jemals den Namen Helmer erwähnt?«
»Was soll das?«
Leises Kindergebrabbel im Haus. Lara blickte sich kurz um.
»Ich überlege, ob er den Mörder gekannt hat.«
»Spinnst du?«
Eine Weile war es still, bis auf den kleinen Fabian im Haus und das Gepiepse der Vögel in den Sträuchern, wo Lara Meisenknödel aufgehängt hatte. Bruno strich die nächste Frage. Ebis Witwe hatte noch weniger Ahnung von der Herkunft der siebenundzwanzigtausend als Bruno oder die internen Schnüffler.
Aus dem Badezimmer trat eine Frau um die vierzig, die Bruno nicht kannte. Sie rubbelte ihr ziegelrot gefärbtes Haar trocken. Ihr Frotteemantel klaffte auf und ließ für einen Moment alles sehen.
Die Ziegelrote schloss den Mantel und legte eine Hand auf Laras Schulter. »Willst du den jungen Mann nicht hereinbitten? Die ganze Wärme zieht raus, wenn ihr noch länger so rumsteht.«
Lara reagierte nicht darauf. Sie fauchte Bruno an: »Dass du dich her traust! Thomas könnte noch leben! Du hast ihn im Stich gelassen!«
»Ich wollte ihn begleiten, aber er lehnte es ab.«
Die andere Frau fragte: »Ist das der Champion?«
Laras Stimme zitterte. »Erzähl deine Märchen, wem du willst. Vielleicht glauben sie dir im Präsidium. Aber für mich bist du kein bisschen besser als sein verdammter Mörder!«
»Lara, bitte!«
Die Witwe knallte die Tür zu. Im Haus heulte der Kleine kurz, wie eine Sirene im Probelauf.
Die Eingangstür wurde noch einmal geöffnet. Die Ziegelrote lugte durch den Spalt. Der weiße Frotteestoff klaffte erneut. Bruno versuchte, der Frau nicht auf die Titten zu starren.
»Sie meint es nicht so, junger Mann. Geben Sie meiner Schwägerin ein wenig Zeit.«
Brunos Kehle war trocken, seine Hände feucht. Er humpelte zum Auto zurück.
Es haperte mit der Beinarbeit.
6.
Bruno besuchte seine Mutter. Sie überfiel ihn mit Fotos von Kötern, die sie aus Zeitschriften ausgeschnippelt
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