Ausgezählt
hatte. Sie hatte sich umgehört und war restlos überzeugt, dass ein West Highland White Terrier am besten zu ihr passen würde. Das Tier musste reinrassig sein. Bruno ahnte, dass ein teures Weihnachtsgeschenk auf ihn zukam.
Er ignorierte die Tölenbilder. Er stöberte in den Schuhkartons, bis er auf die Artikel über den 26. November stieß. Er überflog Berichte, Kommentare, Analysen.
Die Freundin des Amokläufers: Claudia Sasse, Kosmetikfachverkäuferin.
Bruno erinnerte sich: Die Frau war in den Tagen nach der Schießerei durch sämtliche Talkshows getingelt. Sie hatte verbreitet, Helmer habe Polizisten gehasst. Er sei eifersüchtig gewesen und habe sie häufig verprügelt. Er habe damit geprahlt, dass er der gesamten Welt zeigen würde, was in ihm stecke. Helmer sei Mitglied in der NPD gewesen und habe als Polizeispitzel die rechtsradikale Szene ausgehorcht.
Bruno prägte sich alles über Claudia Sasse ein. Im Telefonbuch fand er die Anschrift der Frau: Krahestraße 14.
Am nächsten Morgen lauerte er Sasse auf. Um halb neun verließ die Kosmetikverkäuferin das Mietshaus in Flingern und fuhr mit der Straßenbahn zur Schadowstraße. Sie betrat das Karstadt-Gebäude durch den Personaleingang auf der Rückseite. Kurz darauf schlossen Mitarbeiter die gläsernen Türen für die Kunden auf.
Bruno wartete, bis sich das Haus füllte, dann humpelte er zur Parfümabteilung im Erdgeschoss. Die Freundin des Amokläufers fiel ihm sofort auf. Langes, dunkles Haar und aufgemalte Striche an Stelle der Augenbrauen. Ihre überlangen weiß lackierten Fingernägel kannte Bruno aus den Talkshows.
Sasse beriet eine ältere Dame, die sich Proben auf die Handgelenke sprühen ließ und sich nicht entscheiden konnte. Bruno stellte sich an. Die ältere Dame verlangte nach einem Duft, den Claudia nicht im Angebot hatte. Endlich zog die Kundin weiter.
»Was darf’s sein?«
Bruno zeigte seinen Dienstausweis. »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«
»Ich hab der Polizei schon alles erzählt. Tausendmal, bestimmt.«
»Mein Partner war eines der Opfer Ihres Freundes.«
»Hören Sie, ich hab damit nichts zu tun. Ich bin es leid, von allen angegafft zu werden. Michael war das Monster, nicht ich. Alles, was ich dazu sagen kann, ist tausendmal gedruckt und gesendet worden. Und die von Pro-Sat sind mir immer noch die Gage schuldig. Das find ich kriminell, wie die Medien mit einem umspringen.«
»Ich habe die Zeitungsartikel gelesen, aber ich werde nicht schlau daraus.«
Die Verkäuferin wandte sich an eine Kollegin und schnorrte eine Zigarette. »Drei Minuten«, sagte sie zu Bruno.
Er folgte ihr durch das vorweihnachtliche Einkaufsgewühl auf die Straße. Weil er kein Feuer für sie hatte, sprach sie einen Passanten an. Sie blinzelte dem Fremden mit langen Wimpern zu und strahlte wie für einen Flirt. Als sie sich wieder zu Bruno drehte, schaltete sie auf ruppig. »Was wollen Sie wissen?«
»Kannten Sie Thomas Eberhard? Vierzig Jahre, so groß wie ich, blond, Schnurrbart.«
Sie paffte heftig. »War das Ihr Partner?«
»Haben Sie ihn mal gesehen? Hat Ihr Freund über einen Polizeibeamten namens Eberhard gesprochen?«
»Hören Sie, Michael war nicht mehr mein Freund. Wir hatten uns getrennt. Was kann ich dafür, dass der Idiot mir nachlief. Ja, er kannte irgendwelche Polizisten und gab an, was für tolle Beziehungen er hätte. Aber Namen weiß ich nicht.«
»Stimmt es, dass er der NPD angehörte?«
»Ach was. Er tönte nur rum und machte sich wichtig. Michael war im Grunde ein Einzelgänger. Hielt sich für den Größten und hatte nichts auf der Pfanne. Ein Schlappschwanz!« Die Kosmetiktussi lachte kurz auf.
»Haben Sie eine Ahnung, was er vorhatte am 26. November?«
»Wie gesagt, wir hatten uns gestritten. Ich wollte gar nicht wissen, was er trieb. Hören Sie, ich hab mich nicht reinziehen lassen, und wenn Sie mir was anhängen wollen, sind Sie auf dem falschen Dampfer.«
»Reinziehen? Worin denn?«
Sasse zeigte die heruntergebrannte Zigarette zwischen ihren weißen Krallen. »Ihre Zeit läuft ab.«
»Wovon lebte Helmer?«
»Haben Sie die Akten nicht gelesen? Bis er den Führerschein verlor, arbeitete er als Kurierfahrer. Was er sonst machte, weiß ich nicht. Wenn er auf Koks war, redete er von tausend verschiedenen Geschäften. Seit er die Pappe los war, schob er Hass auf die Bullen. Wahrscheinlich war er an dem Tag einfach zugedröhnt und glaubte mal wieder, es mit der ganzen Welt
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