Ausgezählt
das ihre Art war, Dominanz auszuüben, dann verfehlte sie ihr Ziel gründlich.
»Sie waren am 26. November die ganze Zeit beisammen. Von Schichtbeginn bis zu den Schüssen am S-Bahnhof?«
»Richtig.«
Thann trat an die Balkontür und sah über die kleine Tanne hinweg, die Karen bereits mit Lichterketten geschmückt hatte. »Hübsche Gegend. Oberkassel. Nicht billig. Der Freund meiner Schwester ist Makler. Er sagt immer, es gibt drei Kriterien für eine gute Wohnung: Lage, Lage, Lage.« Der Schnüffler begutachtete den Raum. Dunkles Parkett, Stuck an der Decke. »Ich hasse Makler. Ich hab was gegen Gauner. Egal, auf welcher Seite sie offiziell stehen.«
Thann blieb vor dem Isle stehen, den Karen auf der Kölner Kunstmesse erstanden hatte. Das Bild zeigte eine traurig dreinblickende Frau in einem blauen Kleid. An den Schultern wehte blauer und roter Stoff. Vielleicht stellte er Flügel dar – Gefallener Engel hatte der Künstler sein Werk genannt.
Der Schnüffler pfiff durch die Zähne. »Ein echtes Ölgemälde.«
Möller vertilgte ein Vanillekipferl. »Meine Frau würd mich aus ’m Haus jagen, wenn ich ihr mit so ’nem Ölschinken käme.«
»Hat eben was mit Geschmack zu tun«, antwortete Bruno. Er verstand nichts von Kunst, aber er hatte das Gefühl, Karens Isle verteidigen zu müssen.
»Geschmack, so so.« Thann zog den Sessel heran und ließ sich vor Bruno nieder. Er wickelte einen Kaugummi aus und schob ihn zwischen die Zähne. »Ich nehme an, Ihr Partner hat Sie beteiligt.«
Die Schnüffler wurden persönlich. Sie wollten ihm etwas anhängen. Bruno hielt still. Er verkniff sich Beleidigungen. Er fragte nur: »Wobei?«
Thann drehte sich zu Möller um. »Tut er so naiv oder ist er es wirklich?«
Bruno sagte: »Wenn ihr mich als Beschuldigten verhören wollt, müsst ihr mich zuvor über meine Rechte belehren.«
Möller lachte, Krümel spuckend.
Thann rückte noch näher ran, Bruno roch seinen Pfefferminzatem. »Hat Eberhard Ihr Schweigen tatsächlich umsonst bekommen?«
»Er war nicht korrupt.«
»Sie haben keine Kinder und Ihre Frau verdient mindestens so viel wie Sie. Bei Eberhard war das anders. Und trotzdem hat er sich draußen in Liedberg eine tolle Hütte hingestellt.«
Ebi und Lara hatten ihr Haus mit Krediten finanziert. Weit draußen gebaut, wo der Grund erschwinglich war. Sie hatten mit angepackt, um Handwerkerlohn zu sparen. Ebi hatte sämtlichen Urlaub geopfert.
Bruno entspannte sich. Die Schnüffler hatten nichts gegen seinen Partner in der Hand. Sonst wären sie nicht hier aufgekreuzt.
Möller wühlte in den Plätzchen nach den letzten Vanillehörnchen. Thann erklärte: »Im Februar gehe ich nach Münster-Hiltrup zur Führungsakademie. Bis dahin will ich den Fall abgeschlossen haben. Also zum letzten Mal, Wegmann: Wer hat Eberhard die siebenundzwanzigtausend zugesteckt?«
»Ebi war sauber. Was ich von euch beiden nicht behaupten würde.«
»Sie sind wirklich nicht in der Position, die Klappe aufzureißen, Wegmann. Wissen Sie, was ich noch weniger leiden kann als korrupte Kollegen? Dummköpfe, die einen korrupten Kollegen decken. Falsch verstandene Loyalität macht die Entgleisungen erst möglich, die unsere Behörde in Misskredit bringen.«
Bruno stemmte sich hoch. »Ich scheiß auf euch und die Behörde! Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann sind es Fanatiker, die sich das Ticket nach Münster-Hiltrup verdienen, indem sie auf den Leichen von Kollegen herumtrampeln!«
Die internen Ermittler standen ebenfalls auf. Möller wischte sich Krümel vom Kinn. »Schönen Gruß an Ihre Frau oder wer auch immer das Zeug gebacken hat.«
Thann ließ eine Kaugummiblase platzen. »Wenn wir rauskriegen, dass Eberhard krumme Dinger gedreht hat, kriegen wir Sie als Komplizen dran. Das schwör ich Ihnen. Und wenn Sie uns verschweigen, dass Sie oder Eberhard diesen mutmaßlichen Amokläufer kannten, dann sind Sie erst recht fällig!«
»Mutmaßlich war der Kerl bestimmt nicht. Ich weiß das. Ich war dabei!«
Thann steckte sein Notizbuch weg. Er musterte Bruno. »Niederrheinmeister, hab ich gehört. Nur hapert’s zurzeit mit der Beinarbeit.« Er lachte.
Möller klatschte vor Freude. Die beiden schoben ab.
Bruno schlüpfte in einen Jogginganzug und zog Turnschuhe über. Er humpelte die Treppe hinunter. Auf dem Saab waren Schneereste festgefroren. Bruno kratzte die Scheibe frei. Er drehte Heizung und Gebläse auf und ließ den Motor schnurren.
Er nahm die Autobahn stadtauswärts. Immer
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