Ausgezählt
doch.«
»Wenn du Musik für den Einmarsch in den Ring suchst, nimm lieber was Handgemachtes, nicht so ’n Elektronikscheiß. Die Siebziger sind wieder im Kommen. Smoke on the Water oder so was.«
Bruno brühte Tee und öffnete den Umschlag, den Pommer ihm überreicht hatte. Er studierte die Protokolle der restlichen Befragungen.
Die Johnnys waren eine Kuratorin der Kunstsammlung und der Geschäftsführer eines Industrieverbandes. Beide hatten in Drogenprozessen als Zeugen ausgesagt. Von beiden hatte Bruno sich erhofft, dass sie den damaligen Staatskanzleichef kannten. Der Industrievertreter hatte als Lobbyist mit der Landesregierung zu tun und war Hövel gelegentlich begegnet. Der Museumsfrau fiel erst nach mehrmaligem Nachfragen ein, dass Hövel ein Politiker war. Beide hatten nie privat mit dem ehemaligen Staatskanzleichef zu tun gehabt. Geschweige denn Kenntnisse über dessen Kokainkonsum.
Der Anschiss des Kriminalrats nach den ersten Berichten hatte gewirkt. Die Protokolle gingen über eine bloße Zusammenfassung hinaus. Ordentliche Arbeit, glaubwürdige Zeugen.
Er süffelte Ayurveda-Gebräu und strengte seinen Grips an. Ihm fiel Laras Bemerkung ein: Max hat sich fünf Tage lang kaum zu Hause blicken lassen.
Am vorletzten Freitag hatte die Sonderermittlung begonnen. Bereits am darauf folgenden Montag hatte der Staatskanzleichef seinen Rücktritt verkündet. Fünf Tage waren mindestens einer zuviel.
Mit den beiden neuen Protokollen waren es sechs Johnnys, die Max und Richie befragt hatten. Ein dünnes Ergebnis, selbst für drei Tage.
Was hatte dem Grauschopf all die Arbeit bereitet?
Die Zockerbude sicher nicht. Sie war nach Pommers eigenen Angaben bis einschließlich Dienstag fast von allein gelaufen. Dank Narbengesicht Lauffer, der den Manager gespielt hatte.
Bruno hob das lose Brett unter dem Heizkörper an und zerrte die Akte heraus.
Die Liste der Adressen, die das Narbengesicht am vergangenen Wochenende besucht hatte – Bruno verglich sie mit den Anschriften der neuen Protokolle.
Weder der Industrietyp noch die Kunstexpertin fanden sich darunter.
Noch mehr Widersprüche und Übereinstimmungen: Elf von siebzehn Personen aus Brunos Johnnyliste hatte der junge Taxifahrer aufgesucht oder beliefert. Die sechs übrigen hatten Max und Richie befragt. Konnte es Zufall sein, dass sie keinen in die Mangel genommen hatten, der zu Lauffers Kundschaft zählte?
Bruno ergänzte sein privates Dossier. Er füllte ein neues Blatt mit Fragen und Schlussfolgerungen und überschrieb es mit zwei Namen: Max Pommer, Markus Seberich.
Schließlich verstaute er die Akte wieder unter dem Heizkörper und überzeugte sich, dass die Fuge im Parkett aussah wie alle anderen.
Das Bild wurde klarer. Ungereimtheiten blieben. Sie machten Bruno zu schaffen.
60.
Als er vom abendlichen Training zurückkehrte, fühlte sich Bruno ausgelaugt und müde. Noch drei Tage bis zum Kampf.
Er verstaute Kasimirs Pistole am Kopfende des Betts. Im Wohnzimmer brachte er den ramponierten Garderobenspiegel in Stellung. Noch einmal tanzte er auf dem Parkett und ließ die Fäuste fliegen. Kombinationen im Takt der Radiomusik – die Schwingungen der Dielen übertrugen sich auf den Spiegel. Scherben lösten sich und schepperten zu Boden. Die Nachbarin klopfte gegen die Decke.
Bruno drehte das Radio ab. Er ließ sich ein heißes Bad ein. Genug für heute.
Er nahm das Handy aus der Ladestation und legte es neben die Wanne. Hannahs Kostümprobe war sicher schon zu Ende. Bruno konnte nicht aufhören, sich Sorgen zu machen.
In der Glotze erklärte Harald Schmidt die Handlung von Hamlet. Playmobil-Puppen in einer Minibühne aus Pappe. Die Geschichte zog sich hin. Die Show war auch nicht mehr das, was sie einmal war. Bruno knipste die Mattscheibe aus. Die Wanne war voll.
Er zog sich aus und ließ sich ins Wasser gleiten. Der Lavendelduft tat gut.
Es klingelte. Halb zwölf.
Bruno rannte an die Tür. Um seine Füße dehnte sich eine Pfütze aus. Er griff nach dem Hörer der Sprechanlage. »Hannah?«
Eine Männerstimme meldete sich: »Ich bin’s, Benedikt Engel.«
Bruno begann zu frieren. Der Kriminalrat hatte ihm gerade noch gefehlt. »Was wollen Sie?«
»Kommen Sie runter, Wegmann. Wir machen einen Betriebsausflug.«
»Ich lieg im Bett.«
»Unsinn. Ihre Wohnung ist hell erleuchtet. Ich habe eben noch das Flackern des Fernsehers gesehen.«
»Ausflüge stehen jedenfalls nicht mehr auf meinem Programm.«
»Wir müssen einen Zeugen befragen.
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