Ausgezählt
abgestellt.
Nicht mein Tag, dachte Bruno.
Er schrieb eine Nachricht und schob den Zettel durch den Briefschlitz.
Nach Sonnenuntergang schlage ihre Stunde, hatte die Ministergattin gesagt. Offenbar musste er warten, bis Madame Dracula aus ihrem Sarg stieg.
Bruno schlürfte Yogi-Tee. Er räumte den Schreibtisch frei, holte einen Stapel leeres Papier hervor und begann zu schreiben.
Alles, was er bis jetzt in Erfahrung gebracht hatte. Über Ebi und Helmer. Über Klee und Silberkuhl. Lemkes Geburtstag und den Unfall. Tobias Lauffer, Max Pommer und Richie Seberich.
Zwei Fälle: ein mutmaßlicher Amoklauf und ein mehrfacher Mord – Coke und H.
Bruno schrieb ohne Pause. Gesprächsnotizen aus dem Gedächtnis. Beobachtungen, Aktenwissen, Mutmaßungen und allerlei Schlussfolgerungen.
Ein privates Dossier.
Er notierte seine Erkenntnisse über das Palumbo. Das Geständnis des Grauschopfs. Lauffer, der für Max als Manager arbeitete. Kasimirs Aussage gab Bruno breiten Raum, ohne zu erwähnen, wie er sie erzwungen hatte. Hannah ließ er außen vor. Er verschwieg auch seine Begegnungen mit dem Fotografen Horrenkamp und dem Erpresser Ingenpass, den er auf Pommers Verlangen zusammengeschlagen hatte.
Beim Gedanken an seine eigenen Verfehlungen wurde ihm mulmig zumute.
Seine Hand schmerzte, Bruno kritzelte weiter. Er verfasste zwei Varianten – eine chronologische Aneinanderreihung seiner Ermittlungen und eine Zusammenfassung der daraus folgenden Mutmaßungen, aufgegliedert nach den beiden Komplexen: Ebi/Kokain und Klee/Heroin.
Dass immer wieder dieselben Namen vorkamen, verstörte Bruno.
Gegen Mittag unterbrach er die Arbeit. Er suchte ein Versteck für das Dossier. Das lose Stück Parkett unter dem Heizkörper – Bruno hob es an. Der Hohlraum darunter reichte für eine dünne Akte aus, wenn er sie einmal faltete.
Es klingelte. Bruno schreckte hoch. Er meldete sich an der Gegensprechanlage.
Niemand antwortete.
Sie prüfen, ob ich zu Hause bin.
Er sah aus dem Fenster. Kein Mensch vor der Haustür. Die Straßenränder zugeparkt. Fast ein Drittel aller Autos in Silbermetallic.
Du spinnst, dachte Bruno. Verfolgungswahn.
Er holte die Pistole aus dem Schlafzimmer und lauschte nach den Schritten vor der Wohnungstür. Ein Schaben im Schloss. Ein Schlüssel, der nicht passte – es klingelte erneut.
Im Spion erblickte Bruno seine Frau. Er verbarg die Waffe hinter dem Rücken und öffnete.
Karen trat in den Flur. »Seit wann hast du ein neues Schloss? Glaubst du, ich würde dich bestehlen?« Sie entdeckte den zerbrochenen Spiegel. Den zerfetzten Isle.
»Mein Gott, Bruno! Was hast du angestellt?«
Bruno erklärte, dass sein alter Partner sich Feinde unter Drogenhändlern gemacht hatte. Dass einer dieser Dealer den angeblichen Amokläufer beauftragt hatte. Dass er sich selbst unbeliebt gemacht hatte beim Versuch, die Wahrheit zu erfahren.
Karen reagierte aufgebracht. Sie wollte wissen, ob er den Einbruch angezeigt habe. Nur dann werde die Versicherung den Schaden übernehmen. Seine Frau griff zum Telefon.
Bruno entriss ihr den Hörer. Sie bemerkte die Pistole mit dem Schalldämpfer.
»Was ist los mit dir?«
»Wenn ich den Einbruch anzeige, verliere ich meinen Job. Vergiss die Versicherung! Ich krieg die Drahtzieher zu fassen. Den Anstifter zum Mord an Ebi und die Mörder der Klees. Ich hab eine Akte angelegt. Eigene Nachforschungen, verstehst du?«
»Du spinnst ja!«
»Vertrau mir. Den Schaden werde ich dir ersetzen.«
Seine Frau starrte auf das entfernte Dielenbrett. Auf die Papiere, die rauslugten.
Brunos Handy gab Alarm. Er ging ran.
Es war Hannah – ihre Stimme klang unbeschwert, als hätte sie das Wochenende mit Kakao und Fang den Hut zugebracht.
»Ich werde dir die Show stehlen in der Philipshalle. Du wirst sehen. Ich verweise euch Boxer auf den zweiten Platz. Die Leute werden toben.«
»Endlich meldest du dich, Hannah! Wie war die Party?«
Karen kniete vor dem Heizkörper und blätterte das Dossier durch. Steile Falten gruben sich in ihre Stirn.
Janssens Tochter sagte: »Nicht am Telefon. Mein Modezar hat für nächsten Donnerstag übrigens ein paar echte Hingucker schneidern lassen. Und ich bin seine Nummer eins. Deinen Boxfans werden die Augen rausfallen. Das kann ich dir flüstern!«
»Können wir uns treffen?«
»Wenn du dich beeilst. Ich muss mich heute noch mal in der Praxis sehen lassen, sonst verlangt der Doc ein Attest.«
Bruno beendete das Gespräch.
Karen legte die Papiere zurück.
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