Ausgezählt
Schnippisch fragte sie: »Hannah? Das Töchterchen deines Trainers? Wie alt ist die Göre eigentlich?«
Sie begann, in Schubladen zu kramen. Sie beschwerte sich über die Unordnung. Dann fand sie, was sie suchte, und stopfte es in ihre Tasche. »Du solltest übrigens den Klingelton deines Handys ändern. Der Hummelflug ist zu hektisch für dein Dosha. Er steigert deine Gereiztheit.«
»Fragt sich, wer von uns im Moment gereizt ist.«
Bruno verschloss das Versteck. Das Brett passte. Die Fugen sahen aus wie alle anderen. Er trat mit dem Fuß darauf – das Brett wackelte nicht einmal.
Karen fragte: »Ist das die Akte zu deinen Nachforschungen? Warum gehst du damit nicht zu deinen Kollegen?«
»An manche Erkenntnisse bin ich nur mit unsauberen Methoden gekommen. Außerdem weiß ich noch nicht recht, wie alles zusammenhängt.«
»Du solltest trotzdem diese Informationen an Leute geben, die etwas davon verstehen.«
»Du hältst mich wohl für doof? Passen wir deshalb nicht zusammen?«
Brunos Telefon klingelte – diesmal das Festnetz.
Die Ministergattin war dran. Gräfin Dracula, die nachts durch die Straßen zog und fremde Männer auf ihr Schloss holte. »Ich habe Ihre Nachricht erhalten.«
»Können wir uns treffen, Frau Lemke?«
Karen schulterte ihre Tasche und beäugte Bruno misstrauisch.
Die Ministergattin antwortete: »Sie schreiben, dass Ihnen unsere Konversation gefallen hätte. Sie glauben wohl, mit Schmeichelei könnten Sie eine einsame Seele weich kochen. Eine einfältige Exsekretärin, die von ihrem Erfolgsgatten abserviert wurde, nicht wahr? Glauben Sie, ich wüsste nicht, dass es auch Ihnen nur um die Karriere geht?«
»Wie wär’s mit heute Abend?«
Die Stimme im Hörer schwieg.
Bruno wartete.
Die Ministergattin sagte: »Sie können Sonja zu mir sagen.«
Ihre Vertraulichkeit überraschte Bruno. »Sie wissen weit mehr, als Sie mir verraten haben, stimmt’s?«
»Sie fragten mich, was Lemke und dieser Unfall vor elf Jahren mit dem schrecklichen Mord zu tun haben. Ich habe Ihnen wahrheitsgemäß geantwortet.«
»Aber es gibt einen Punkt, den Sie mir verschwiegen haben und der Sie nicht in Ruhe lässt.«
»Vielleicht. Machen Sie mir ein Angebot und ich überlege mir eine zweite Weinprobe.«
»Was kann ich Ihnen anbieten?«
»Erklärungen.«
»Wenn Sie das wirklich wollen, Sonja.«
»Morgen Abend. Ich muss noch ein paar Dinge ordnen.« Sonja Lemke legte auf.
Karen wies auf das Telefon. »Die Frau des Innenministers?«
Bruno antwortete nicht – seine Frau witterte nur die heiße Story.
»Diese Tussi mit ihrer in Stein gemeißelten Frisur? Die immer Spenden für den Weißen Ring sammelt? Wie alt ist die Tante? Fünfzig, sechzig?«
»War’s das, Karen?«
»Wenn Sie das wirklich wollen, Sonja!«, flötete sie und stürmte aus der Wohnung.
59.
Auf der Rheinkniebrücke war Bruno sich ziemlich sicher, dass ihm ein silbern lackierter Wagen vom Typ eines Golf oder Focus folgte.
Zwischenstopp am Präsidium – als Bruno in die Zufahrt zum Parkplatz einbog, konnte er keinen Schatten mehr ausmachen. Er verfluchte seine Paranoia.
Er hoffte, dass Pommer um diese Uhrzeit nicht mehr in seinem Raum war. Dass er die Protokolle von der Sekretärin ausgehändigt bekäme.
Doch das Vorzimmer war verwaist, die Tür zum Büro des KK-33-Leiters stand auf. Max rief ihn herein, klopfte ihm auf die Schulter und bot Kaffee an. Bruno setzte ein Lächeln auf, das unbefangen wirken sollte.
Der Grauschopf knurrte: »Schön, dich zu sehen, Schwagerherz.«
»Mach langsam, Max.«
»Wärst du’s gern?«
»Ich hab Lara immer bewundert. Jetzt mehr denn je.«
Leise erklärte Max: »Übrigens, dieser Erpresser scheint Ruhe zu geben.«
»Schön.«
»Aber es gibt Gerüchte über dich, Bruno. Überall heißt es, Kriminalrat Engel wolle tatsächlich den Inneren Dienst wieder einrichten und hätte dich zum neuen Leiter ernannt. Meine Verbindungen sagen mir, dass da nichts dran ist, aber manchmal reicht ein Gerücht, um einem nachhaltig zu schaden.«
»Das verbreitet diese Datentante. Weil ich mit Lara ins Kino gegangen bin und nicht mit ihr.«
Max hob den Zeigefinger. »Am Donnerstag wirst du nicht viele Anhänger im Publikum haben, fürchte ich.«
»Davon bin ich ohnehin ausgegangen. Jedenfalls bereu ich’s nicht, dass ich Lara der Datentussi vorgezogen habe.«
»Mach meine Schwester nicht unglücklich, Champion!«
»Das hab ich nicht vor.«
Der Grauschopf streckte ihm endlich den Umschlag hin. »Schönen
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