Ausgezählt
auf zur Generalprobe der Cheerleader. Das Fernsehteam würde den Hupfdohlen des Vorprogramms unter die Röcke filmen. Medienbetreuer Engel würde fotokopierte Presseinfos verteilen, die keinen interessierten.
Kaltgestellt.
Bruno wählte erneut die Privatnummer der Studienrätin. Karen ging nicht ran. Irene war noch in der Schule.
Er knallte den Hörer auf die Gabel.
Wozu hatte seine Frau ihn beschattet? Warum hatte sie das Dossier gestohlen?
65.
Seine Mutter schaufelte ihm eine doppelte Portion Braten auf den Teller. Sie klemmte die Tickets mit einem Magneten an die Kühlschranktür. Bruno hatte anständige Plätze zu dreißig Euro gebucht. Für sie und Herrn Farthmann, ihren Lieblingsnachbarn. Die Freikarten in der zweiten Reihe hatte er Lara und Max versprochen. Er würde Pommer nichts spüren lassen – nur nicht die Pferde scheu machen.
In den letzten Stunden hatte Bruno zwei Johnnys befragt, die Pommer und Seberich nicht rekrutiert hatten. Er fand sich in seiner Einschätzung bestätigt: Max war nicht so dumm, fremden Leuten Heroin zum Weiterverkauf anzubieten und sie dann in einem Protokoll zu erwähnen.
Julia Wegmann-Winterscheidt schrieb Postkarten. Das Lösungswort des Blitz -Preisrätsels vom Tage – verschiedene Absender, um ihre Gewinnchance zu erhöhen.
Sie nahm die Lesebrille ab und sagte: »Ich hab nie verstanden, was du daran findest, andern Kerlen vor den Kopf zu hauen. Nie wäre ich einverstanden gewesen, wenn Janssen mir damals nicht so hartnäckig den Hof gemacht hätte.«
Mutters Männergeschichten. Nach Vaters Weggang war sie aufgeblüht. Bruno hatte es widerlich gefunden, wenn seine Mutter am Samstagabend auf Männerfang gegangen war. In knallengen Jeans und Glitzerpullis. Dass sie sogar mit seinem Trainer geturtelt hatte, war Bruno entgangen.
»Wie geht es ihm eigentlich?«, fragte sie.
»Ganz gut.«
Die Sorgen um Hannah wollte Bruno seiner Mutter nicht auf die Nase binden.
Die Töle machte Männchen. Julia Wegmann-Winterscheidt zupfte ein Stück Fleisch von Brunos Teller und warf es dem Hund zu. Felix schlabberte auf dem Teppich. Bruno hasste das.
Mutter beschwichtigte: »Er will auch sein Fütterchen.«
Sie schrieb seine Adresse als Absender auf die zweite Postkarte. Seines Wissens hatte sie noch nie gewonnen. Sie schrieb das Lösungswort auf ein drittes Kärtchen und sagte: »Albert ist ganz stolz auf dich.«
»Wer?«
»Flipp doch nicht gleich aus!«
»Seit wann hast du Kontakt zu ihm?«
»Ich lass mich von dir nicht bevormunden. Ich bin deine Mutter. Ich bin noch lang keine alte Schrulle, auf die man aufpassen muss. Und er ist und bleibt dein Vater.«
»Das Schwein hat dich sitzen lassen!«
»Albert würde sich sehr freuen, wenn du ihn auch zu deinem Boxabend einladen würdest.«
»Das wär ja noch schöner!«
»Außerdem treff ich mich nicht mit ihm. Wir trinken nur ab und zu einen Kaffee bei Bittner am Karlsplatz.«
Bruno fragte sich, worin der Unterschied lag. Er ließ den Braten stehen. Den Rest konnte die Töle haben.
Er sah, wie seine Mutter weiterkritzelte: Albert Wegmann.
Ein weiterer Fehlschlag: Sibylle Adam war wieder nicht zu Hause. Bruno stand vor dem Schild mit dem Schützen-Symbol und drückte minutenlang die Klingel.
Die Tür gegenüber ging auf. Eine Nachbarin gesellte sich zu ihm und offenbarte Haustratsch: Die ehemalige Redenschreiberin und Hövel-Freundin habe einen Nervenzusammenbruch erlitten. Der Krankenwagen habe sie in die Klapse gebracht.
Bruno rief in der Landesklinik an. Die Sekretärin des Chefarztes verweigerte ihm die Auskunft.
Der letzte protokollierte Johnny hieß Gideon Kirsch und bewohnte eine Sozialbauwohnung in Düsseldorf-Garath.
Eine Trabantensiedlung. Die Wohnblocks sahen alle gleich aus – nicht die Gegend, in der sich Leute aus dem Dunstkreis eines wichtigen Politikers tummelten. Bruno fragte sich, warum er Kirsch überhaupt auf die Johnnyliste gesetzt hatte.
Das Protokoll half ihm auf die Sprünge. Besagter Kirsch hatte in den frühen Neunzigern als Motivationstrainer gearbeitet – Psychokurse für Manager. Ein führender Oppositionspolitiker war mit ihm befreundet gewesen und hatte dem diplomierten Psychologen Türen geöffnet. Als die Süchtler das Telefon eines Koksdealers abhörten, fiel der Name Kirsch. Ein eifriger Staatsanwalt brachte den Psychologen auf die Anklagebank.
Kirschs Verteidiger war Fachmann in Drogenprozessen. Er legte dar, dass sein Mandant sich nicht der Anstiftung zum Handel schuldig
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