Ausgezählt
einmal gesagt hat?«
»Nein.«
»Dass er sich von mir getrennt habe, weil er es unerträglich fände, dass ich über alles Bescheid weiß. Er behauptete, eines Tages würde ich ihn genauso wenig ertragen können. Da hatte er Recht. Aber das Schlimmste ist, dass ich mich inzwischen selbst nicht mehr leiden kann. Lemke hat mich durch sein Geständnis zu seiner Komplizin gemacht.«
Bruno fiel nichts ein, was er antworten konnte.
»Ich habe es genossen, dass das Flittchen tot war. Dass Lemke sich in meine Hand begab. Ich war egoistisch und falsch. Ich hätte ihn anzeigen müssen. Axel Lemke, ein Hurenbock und Trinker. Der größte Feigling unter Gottes Himmel. Wissen Sie, dass er sich als Nachfolger des Ministerpräsidenten betrachtet? Als Hoffnungsträger der gesamten Partei? Dieser steife Trottel mit seinem Ziegenbart!«
»Was geschah in der Unfallnacht?«
»Er hatte gesoffen. Er konnte nicht mehr geradeaus gehen und ließ es sich trotzdem nicht nehmen, selbst zu fahren. Er wollte dem Flittchen imponieren. Sie jagten sich. Eine Wettfahrt aus purem Übermut. Lemke überholte in einer Kurve und schnitt ihr Auto so stark, dass sie beim Ausweichen die Kontrolle verlor. Der Leibwächter hat versucht, erste Hilfe zu leisten. Lemke stand nur dumm herum und jammerte. Sein Leibwächter hat ihn herausgepaukt.«
»Wie sah das aus?«
»Da ist Lemke nie ins Detail gegangen. Er war blau und fertig mit den Nerven. Ich weiß nur, dass der Leibwächter sich Lemkes Auto schnappte und ein paar Mal auf und ab fuhr, um Reifenspuren auf den Straßenbelag zu zaubern. Vermutlich, damit es so aussah, als habe ein anderes, entgegenkommendes Auto das Flittchen von der Straße gedrängt.«
Bruno wurde klar, dass Bodyguard Pommer in jener Nacht vor elf Jahren den Grundstein seiner Karriere gelegt hatte, indem er seinen Chef rettete und dessen Geliebte verbluten ließ. Der Notarzt war wenige Minuten zu spät eingetroffen – Pommer hatte Prioritäten gesetzt.
Sonja Lemke nahm einen großen Schluck. »Ich sollte nicht Flittchen sagen, nicht wahr?«
Sie erhob sich und verschwand irgendwo im Haus.
Die ferne Musik war das einzige Geräusch, das Bruno vernahm. Er betrachtete das Foto, das allmählich aus dem Leim ging. Lemke, schon deutlich angetrunken. Die fröhliche Blondine an seiner Seite, nur Stunden vor ihrem Unfalltod.
Bruno nippte vom Wein – schwerer Stoff, der ihn nicht vom Hass auf Max ablenken konnte. Der Grauschopf hatte ihn reingelegt, ihm den gemütlichen, verständnisvollen Kumpel vorgespielt.
Die einen werden ausgezählt, die anderen steigen auf. Vom kleinen Bodyguard zum Leiter des 33. Kripo-Kommissariats mit direktem Draht zum Innenminister.
Nach einigen Minuten kehrte Sonja Lemke zurück. Sie berührte ihr Haar, als müsse sie die Frisur in Ordnung bringen. Der blonde Helm saß tadellos.
Bruno sagte: »Heinz Klee hat alles miterlebt und wie Sie all die Jahre geschwiegen.«
»Er hat sich über Lemke aufgeregt, zumindest hinterher. Anzeige hat er nie erstattet. Jeder von uns war auf seine Art feige.« Sie goss sich nach. »Sie haben mir etwas versprochen, Bruno.«
»Und Sie wollen wirklich hören, wie es weiterging?«
»Bitte.«
Bruno berichtete, was aus dem knackigen Kerl mit den langen schwarzen Haaren geworden war. Besagter Leibwächter war der Retter ihres Mannes gewesen. Hatte sich später um Marias kleinen Sohn gekümmert, der den Unfall überlebt hatte, indem er ihn erst zum Polizeispitzel, dann zum Spielhöllenaufseher und Drogenkurier machte. Besagter Leibwächter war grau geworden und hatte Karriere gemacht als Polizist und als Dealer. Ein gerissener Verbrecher, der buchstäblich über Leichen ging. Tobias half ihm dabei, nicht wissend, wie seine Mutter tatsächlich zu Tode gekommen war.
Bruno fragte: »Haben Sie jemals Kokain genommen, Sonja?«
»Jetzt gehen Sie zu weit!«
»Wollten Sie nicht Ordnung in Ihr Leben bringen?«
»Kokain, meine Güte! Es war Mode, jeder hat es mal ausprobiert.«
»Nahm es auch Ihr Mann?«
»Nein. Auch dazu war Lemke zu feige. Ich bekam es von …« Sie zögerte.
»Von Max Pommer, dem knackigen Leibwächter, der Ihnen schöne Augen machte.«
»Er hatte eine tolle Art, mit Menschen umzugehen.«
»Und Hövel?«
»Gernot war ganz wild auf Kokain. Er und seine Freundin Bille nahmen es ständig.«
»Der Bodyguard mit dem Lagerfeld-Schwänzchen versorgte die ganze Runde?«
»Ich empfand ihn nicht als Dealer. Hövel drängte ihn dazu, den Stoff zu besorgen. Max musste
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