Ausgezählt
Tisch.
Bruno wählte die Nummer seines Trainers, während Hannah mit der Scheckkarte eine Line zurechtschob. Das Mädchen rutschte mit der Nase die Tischplatte entlang.
Janssen meldete sich.
Bruno erklärte dem Coach, dass seine Tochter bei ihm übernachten werde. Sie habe ihren Job verloren und ängstige sich vor der Reaktion ihres Vaters. Bruno versprach, sie morgen früh abzuliefern. Sein Trainer bedankte sich. Janssen war froh, dass seine Tochter in guter Obhut war.
Bruno hievte Karens Matratze aus dem Ehebett und bereitete dem Mädchen einen Schlafplatz im Wohnzimmer.
Lange tat Bruno kein Auge zu. Aus dem Wohnzimmer tönte leise der Fernseher. Bruno rechnete damit, dass Hannah den Schlafplatz nicht annehmen würde. Die Szenetreffs lockten. Die coolen Typen. Irgendwo in der Stadt gab es Läden, die noch aufhatten.
Bruno schlief ein. Irgendwann weckte ihn Hannah. Draußen war es noch dunkel. Kein Vogelgezwitscher, kaum ein Auto auf der Straße. Das große, dünne Mädchen kroch zu ihm ins Bett. Sie schmiegte sich an seinen Rücken. Die Matratze reichte knapp.
Sie streichelte ihn.
»Lass gut sein«, sagte er.
Hannah roch frisch und ihr Haar war feucht. Ihre Hände tasteten zärtlich.
Schließlich sah sie ein, dass sie nichts ausrichten konnte. »Du solltest es mal mit Coke versuchen.«
Endlich ging ihr Atem ruhig und gleichmäßig. Er traute sich nicht mehr, seine Position zu verändern. Draußen dämmerte es. Die Vögel auf dem Balkon begannen ihr Konzert.
Als Bruno am späten Vormittag erwachte, war Hannah fort. Sein Rücken schmerzte.
Der Tag des Kampfs war angebrochen.
67.
Während das Kaffeewasser durchlief, holte Bruno die Zeitung.
Im Büdchen lief das Lokalradio. Der Sprecher vermeldete, dass die 4.500 Sitzplätze der Philipshalle nahezu ausverkauft seien.
Die Verkäuferin erkannte Bruno. Eine Kundin fragte nach einem Autogramm. Bruno bezahlte das Blatt und machte, dass er wegkam.
Sein Foto und das von Thorsten Janosch auf der Titelseite.
Blitz, Donnerstag, 25.4.2002
VIER FÄUSTE FÜR DIE POLIZEI
DÜSSELDORF IST STOLZ AUF DIESE MÄNNER ›HAMMER‹ PROPHEZEIT K.O. IN DER ERSTEN RUNDE
Von Alex Vogel
Sie haben nicht vergessen, wie drei ihrer Kollegen ihr Leben lassen mussten. Das feige Verbrechen eines irren Amokläufers, der ohne Führerschein in eine Kontrolle geraten war. Vor genau fünf Monaten. Heute treten sie an, um Geld für die Hinterbliebenen der Opfer zu sammeln. Und um zu demonstrieren, dass wir auf unsere Polizei zählen können. Schlagkräftig und unerschrocken. Polizeiobermeister Thorsten ›Der Hammer‹ Janosch (25) und Kriminaloberkommissar Bruno ›Der Puma‹ Wegmann (32). Zwei Beamte, die schon in der Jugend den Boxsport zu ihrem Hobby gemacht haben. In der Philipshalle werden sie am Abend ihre Kräfte messen. Für den guten Zweck. »Beide haben vorhergesagt, den Gegner vorzeitig auf die Bretter zu schicken«, berichtet Polizeipräsident Bewerunge voller Stolz auf seine Vorzeige-Athleten. »Thorsten Janosch will es sogar schon in der ersten Runde tun.«
Ein Kampf zweier Ausnahmesportler. Beide bestritten diverse Amateurmeisterschaften, sind bislang unbesiegt. ›Hammer‹ Janosch ist der Furcht einflößende Kraftbolzen, ›Puma‹ Wegmann der ausgebuffte Techniker. Nach Auskunft ihrer Vereine (Boxclub Kamp-Lintfort vom Niederrhein und TuS Gerresheim) sind beide topfit. Zwei Wochen waren sie vom Dienst befreit, um sich auf das Kräftemessen vorbereiten zu können. Zwei Wochen lang hatten sie nur eins im Kopf: den heutigen Kampf. Er verspricht, ein heißer Tanz zu werden.
›Puma‹ oder ›Hammer‹ – wer wird der Held von Düsseldorf? Rund um den Fight hat Polizeipräsident Bewerunge ein tolles Programm gestrickt, gesponsert von der Destination Düsseldorf. Bevor gegen 21 Uhr der Gong zum Hauptkampf ertönt, werden ab 19 Uhr die »Pyromaniacs«, die Cheerleader des Düsseldorfer NFL-Europe-Teams Rhein Fire, die Stimmung anheizen. Für Düsseldorfer Flair sorgt anschließend Modezar Hajo Jürgens mit neuesten Kreationen.
Die Stars des Abends sind jedoch die beiden Boxsportler – stellvertretend für ihre dreitausend Kollegen, deren Kampf um unsere Sicherheit jeden Tag im Mittelpunkt ihrer gefährlichen Arbeit steht.
Bruno war beeindruckt. Eine Hymne auf die Behörde. Die Masche Bewerunges wirkte schon jetzt. Die Polizei machte Schlagzeilen – mal keine schlechten.
Er stellte sich Benedikt vor, wie er Pressemappen an die Medienfuzzis
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