Ausgezählt
beiseite. Bruno zückte seinen Dienstlappen. Der Schupo begnügte sich damit, Lara den Zutritt zu verwehren.
Auf dem Treppenabsatz weitere Uniformierte, die mit Hausbewohnern diskutierten. Es roch penetrant nach Bohnerwachs. Die Funzel an der Decke flackerte. Düstere, braun gestrichene Wände. Ein Kinderwagen stand im Weg. Max drängte sich durch. Er schien zu wissen, wo die Wohnung lag.
Ein Stockwerk höher trafen sie auf Ela Bach und zwei ihrer Kollegen. Die Mordermittler waren dabei, in weiße Overalls zu steigen.
Max schob sich weiter.
»Du kannst da nicht rein!«, protestierte Ela.
Sie hielt Bruno am Ärmel fest. Er schüttelte sie ab.
Die Wohnung: Lavendelgeruch, weiße Fliesen im Flur, ein Filmplakat an der Wand – ein Ring und vier Hobbits. Gegenüber ein Spiegel, hinter den Schnappschüsse aus dem Urlaub geklemmt waren: Richie und die Parfümtussi in den Bergen, Richie und Max mit Pappnasen und Karnevalskappen. Immer wieder Seberich – keins der Fotos zeigte Helmer, den Polizistenmörder.
Gerüchte, Spekulationen, scheinbare Zeitungsenten: Der Amokläufer habe als Polizeispitzel gearbeitet. Seine Freundin habe ihn mit einem Polizisten betrogen.
Kriminaltechniker in weißer Plastikmontur sammelten Staub ein, der von einer Schuhsohle stammen konnte. Sie diskutierten den möglichen Tathergang. Sie stellten Schilder auf und machten Bilder. Ein Küchenmesser und eine Rohrzange lagen auf den kahlen Fliesen, beide Werkzeuge blutverschmiert. Die Techniker fotografierten Spuren an einer Tür. Der Raum dahinter war blendend hell ausgeleuchtet.
Max schlängelte sich durch. Er kümmerte sich nicht um die Warnungen der Kollegen.
Bruno folgte.
Hinter der Tür befand sich das Schlafzimmer. Die Techniker hatten zwei Scheinwerfer aufgestellt. Bruno erhaschte einen Blick: Das Bett war tadellos gemacht, die Tagesdecke war versaut – Blutflecken.
Ein Overallträger breitete die Arme aus: bis hierher und nicht weiter.
»Richie war mein bester Freund«, raunzte Max ihn an. »Er war mein Stellvertreter im KK 33.«
Ein Techniker drückte ihm Überzieher aus weißem Plastik in die Hand. OP-Dinger für die Schuhe. Bruno bekam auch ein Paar. »Streift euch das drüber. Und fasst um Gottes willen nichts an. Sonst können wir gleich einpacken.«
Sie gehorchten. Der Kriminaltechniker ließ sie ins Zimmer.
Richie saß aufrecht in einem Rattansessel. Das Kinn ruhte auf der Brust. Der Täter hatte das Walross festgebunden – Oberkörper, Handgelenke und Waden waren mit gelber Wäscheleine an den Sessel fixiert. Geronnenes Blut im schütteren Haar. In braunroten Streifen war es bis über das Gesicht geflossen und verklebte Koteletten und Schnauzbart. Das Hemd vor dem Bauch durchtränkt. Eine Pfütze auf dem Teppich. Die Hände des Toten waren verschmiert und unnatürlich klein.
Bruno begriff: Verstümmelungen, die Seberich zugefügt worden waren, als er noch gelebt hatte.
Max ging auf die Knie und heulte los.
Brunos Magen rebellierte. Zehn abgetrennte Finger lagen in der Pfütze unter dem Sessel. Bruno wankte aus dem Zimmer und holte Luft.
Im Treppenhaus diskutierten Kollegen. Bruno schnappte das Wort ›Serienmörder‹ auf. Bruno hörte, wie Blondschopf Becker seiner Chefin Bericht erstattete: Zur fraglichen Zeit hatten Nachbarn ein Auto gesehen, das auf dem Behindertenparkplatz vor dem Eingang geparkt war.
Ein Ford Focus, silbermetallic.
Bruno rannte hinaus auf die Straße. Den Bohnerwachsgeruch ertrug er nicht länger.
Er mischte sich unter die Schupoleute und erfuhr, dass Claudia Sasse den Leichenfund gemeldet hatte. Für die Tat gab es keine Zeugen.
Ein Blick auf die Zeitanzeige im Display des Mobiltelefons: In zwanzig Minuten sollte Bruno in der Philipshalle sein. Er versuchte zum x-ten Mal, Karen zu erreichen.
Er brüllte auf die Mailbox seiner Frau: »Was zum Teufel hast du getan?«
Die Straße füllte sich mit Streifenwagen. Es sprach sich herum, dass wieder ein Kollege ermordet worden war. Jeder wollte helfen. Die Aufregung des 26. November saß allen noch in den Knochen: der Hass auf Polizistenmörder, die Empörung über Obermuftis, die keine Ahnung davon hatten, was der kleine Beamte tagtäglich riskierte, und die Wut auf Politiker, die das Geld für die nötige Schutzausrüstung verweigerten.
Bruno erkannte Breitling, den jungen Kommissar der Polizeiinspektion Ost. Breitlings Aussage gegenüber Engel, in Brunos Beisein: Pommer hat den mutmaßlichen Amokläufer erschossen. Seberich und ich haben
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