Ausgezählt
ihm geholfen, es wie Selbstmord aussehen zu lassen – ein wichtiges Puzzlestück in der noch lückenhaften Indizienkette.
Breitling fragte: »Stimmt es, dass es sich da drin um Seberich handelt?«
»Ja.«
»Ich hab’s mir überlegt, Wegmann. Der Kriminalrat macht mir die Hölle heiß, aber ich tu, was du gesagt hast. Kein schriftlicher Bericht. Ich hab nichts gesehen. Ist besser so.«
Ein Streifenwagen ließ kurz das Martinshorn aufheulen. Grün-weiße Vectras stauten sich. Ein erstes Kamerateam stand auf der anderen Straßenseite und filmte.
»Unmöglich!«, sagte Bruno. »Du musst bei deiner Aussage bleiben!«
Der junge Schupokommissar trat dicht an ihn heran und raunte in sein Ohr: »Wozu? Erstens hätte jeder von uns den Amokläufer ausgeknipst. Zweitens ist dieser Engel längst abserviert, wie man hört. Ich drück dir jedenfalls die Daumen für den Kampf, Kollege.«
Der Uniformierte lief zu seinem Einsatzfahrzeug. Eine Gruppe von Kuttenträgern versammelte sich. Die Kollegen beratschlagten – Jagdfieber lag in der Luft.
Bruno versuchte, Engel zu erreichen. Auch bei ihm nur die Mailbox. Wahrscheinlich geleitete der Lange Zeitungsfritzen zum Interview mit dem Behördenchef.
Lara klopfte von innen gegen die Windschutzscheibe des Saab. Bruno stieg ein. Keine Zeit mehr für Kaffee und Kuchen. Lara meinte, angesichts des Mords an Richie sei das bevorstehende Boxspektakel unpassend. Das Walross sei ein prima Kumpel gewesen. Sie könne es nicht fassen, dass jemand Seberich dermaßen gehasst habe. Die Behörde müsse den Boxkampf verschieben.
Bruno rangierte. Der Rechtsmediziner fuhr vorbei. Der Wagen der Bestattungsfirma hielt mitten auf der Straße. Bruno winkte ihn in eine Hofeinfahrt, um wegzukommen.
Lara stellte Fragen. Bruno nannte keine Details – nicht die abgeknipsten Finger, kein Wort über die Ähnlichkeit mit dem Mordfall vor gut zwei Wochen. Das Getuschel der Kollegen im Treppenhaus schwirrte durch Brunos Gedanken: Serienmörder.
Bruno trat das Gaspedal durch und ließ den Saab über das Pflaster donnern. Er wich rutschigen Straßenbahnschienen aus.
Der Hummelflug schrillte los. Bruno tastete nach dem Handy.
Vor ihm flammten Bremslichter auf. Bruno setzte zum Überholen an. Eine Bahn raste ihm entgegen und bimmelte.
Lara schrie auf: »Vorsicht! Halt an, wenn du telefonierst!«
Bruno bremste ab und schlich hinter dem Vordermann her. Er fand die richtige Taste und würgte Rimski-Korsakow ab.
Engels Stimme fragte: »Was soll das bedeuten?«
69.
Ein Raum am Ende des seitlichen Foyers war zur VIP-Lounge hergerichtet worden. Dutzende von Promis und weniger bekannte Gäste der Sponsoren auf Barhockern und an Stehtischen.
Bruno entdeckte seinen Gegner Janosch und sagte hallo. Der Polizeipräsident nahm sie in Beschlag und führte sie herum.
Bewerunge dachte nicht daran, den Kampf abzublasen. Jetzt erst recht: Die Polizei müsse Flagge zeigen. Ein fehlgeleiteter Irrer habe es auf Polizeibeamte abgesehen. Solchen Verbrechern dürfe die Behörde keinen Anlass zum Triumph liefern. Wir lassen uns nicht entmutigen.
Sie wanderten von Tisch zu Tisch. Unaufhörliches Händeschütteln: der Messechef, der Bäckereikettenmogul und seine junge Freundin, Frau Henkel und Herr Kaufhof, der Autohändler, der nie ein Event ausließ. Der Oberbürgermeister prüfte Brunos Bizeps, Innenminister Lemke klopfte ihm auf die Schulter – Sonja Lemkes Betonfrisur war nicht zu erspähen.
Kellner reichten Häppchen und Champagner. Die VIPs rissen ihnen das Zeug vom Tablett.
Der Modezar hielt Hof inmitten einer Gruppe älterer Damen mit dicken Klunkern und blau gefärbtem Haar. Die hübsche Tante aus der Spinatwerbung keifte ihren Dauerverlobten an. Dessen Eltern versuchten, die Fassung zu bewahren. Der Professor der Kunstakademie trug einen Nadelstreifen-Dreiteiler, schwenkte seinen Gehstock und dozierte über die Ästhetik des Faustkampfs: Boxen als Bild des Lebens, seiner Schönheit und Verletzlichkeit – der Malerfürst quasselte sich in einen regelrechten Rausch, seine Begleiterin gähnte. Der Sänger der Toten Hosen verlangte Altbier vom Kellner.
Bruno und Janosch mussten Autogramme auf Servietten und Bierdeckeln geben.
Die Pyromaniacs hopsten herein. Rote Bikinis mit weißem Kunstpelzbesatz – Sondervorstellung für die Gäste des Sponsors. Die Cheerleader von Rhein Fire schwangen Arme und Beine.
Sie schrieen im Chor: »PUMA LOS, HAMMER GROSS!«
Zum Abschluss sprangen die Cheerleader in den Spagat.
Der
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