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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Daneben lag das Telefon, die Schnur gekappt. Blutige Handabdrücke und eine Schleifspur führten in die Küche.
    Die Augen von Steffis Mutter starrten zur Decke. Die cremefarbene Bluse an Brust und Bauch getränkt von Blut. Ein Einstich im Hals. Perlen einer gerissenen Halskette verstreut auf den schwarz-weißen Fliesen.
    Bruno kniete sich hin und befühlte auch ihre Schlagader. Er hörte ein Rauschen und begriff, dass es der Pulsschlag in seinen eigenen Ohren war.
    Arbeitsflächen und Türen der Einbauküche waren mit blutigen Fingerspuren übersät. Eine Lade herausgezogen, ein paar Messer auf dem Boden. Anscheinend hatte Frau Klee versucht, sich zu verteidigen. Vergeblich. Die Ärmel der Kostümjacke hingen in Fetzen. Bruno entdeckte Schnittwunden an den Unterarmen – Blut und zerhacktes Fleisch.
    Er lauschte. Die alte Uhr im Flur dröhnte. Halb elf.
    Wie immer hatte Bruno seine Waffe im Schrank der K-Wache weggeschlossen. Er hob eins der Brotmesser vom Boden auf und steuerte die steile Treppe an, die ins Obergeschoss führte. Er fluchte über jede Stufe, die knarrte.
    Die Musik musste aus dem Arbeitszimmer gekommen sein. Die abendliche Gewohnheit des alten Klee: Klassikplatten auflegen und eine Havanna paffen. Bruno fand die Tür angelehnt. Zugluft pfiff durch den Spalt. Er öffnete mit dem Ellbogen, um Fingerabdrücke auf dem Griff nicht zu verwischen.
    Freds Vater saß mit dem Rücken zum Eingang in seinem goldbraunen Lieblingssessel. Das Kinn war auf die Brust gesunken.
    Als Bruno näher kam, stellte er fest, dass Klee mit einer Plastikleine gefesselt war. Oberkörper, Waden und Handgelenke mit zahlreichen Schlaufen an den Stuhl fixiert. Bruno suchte die Halsschlagader und spürte wieder nichts.
    Klees Augen waren geschlossen, die Wangen grau und eingefallen, der Mund leicht geöffnet. Das Haar war fast weiß geworden, seit Bruno ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Die Augenbrauen wuchsen buschig und dunkel, als hätte der Alte sie gefärbt. Aus einer Wunde über der Herzgegend war Blut gesickert. Wie die beiden Frauen im Erdgeschoss fühlte sich Klee noch körperwarm an.
    Es roch nach Kot. Der Alte saß in seinen Exkrementen. Urin hatte die Hose durchtränkt.
    Brunos Blick fiel auf die Hände, die festgezurrt auf den hölzernen Armlehnen lagen. An einer Hand war der kleine Finger hinter dem zweiten Gelenk abgetrennt, er endete als kurzer Stummel. Blut verklebte das stumpfe Ende und die Lehne. Eine weitere hässliche Wunde ließ am Ringfinger den Knochen durchschimmern.
    Bruno würgte. Er kämpfte gegen den Brechreiz an.
    Das abgeschnittene Fingerstück lag wie ein dicker, grauer Wurm zu seinen Füßen. Bruno erkannte den Fingernagel. Sehnen, die aus der Schnittfläche ragten. Er tastete noch einmal nach der Mulde unter Klees faltigem Kinn.
    Der Antiquitätenhändler antwortete mit einem leisen Röcheln, das tief aus seiner Brust kam.
    Mit zitternden Fingern grub Bruno das Handy aus seiner Jackentasche. Er drückte den Notruf und gab die Adresse durch. Seine Kehle erzeugte ein albernes Krächzen, als er nach einem Notarztwagen verlangte, nach der Mordbereitschaft und Beamten der PI Nord, die für die Sicherung des Tatorts zuständig sein würden.
    »Ihr Name, bitte«, verlangte die Beamtin aus der Leitstelle, ruhig und geschäftsmäßig.
    »Kriminaloberkommissar Bruno Wegmann«, presste Bruno hervor. »Machen Sie schnell! Der Mann stirbt!«
    »Beruhigen Sie sich. Und entfernen Sie sich auf keinen Fall von dem Haus.«
     
    Bruno umkrampfte mit weißen Knöcheln das Brotmesser. Er schlich hinaus auf den Flur und lugte in die übrigen Räume. Bad und Schlafzimmer waren aufgeräumt, die drei Jugendzimmer unberührt, in einem stand ein Bügelbrett – offenbar wohnten auch die Mädchen nicht mehr hier.
    Bruno kehrte ins Arbeitszimmer zurück. Er band Klees verletzte Hand los und hielt sie fest. Ihm war, als blinzelte Freds Vater.
    Plötzlich knallte es. Das Fenster schwang auf und wieder zu. Die Gardine bauschte sich im Wind. Bruno packte das Messer und spähte hinaus. Der Garten lag im Dunkeln, kein Mensch zu sehen.
    Die Zugluft hatte das Fenster bewegt.
    Bruno trotzte dem zunehmenden Gestank und harrte bei dem Alten aus. Noch einmal glaubte er ein Röcheln zu vernehmen. Er redete auf Klee ein, als könnten fadenscheinige Erinnerungen den Tod aufhalten.
    Draußen dröhnten die Martinshörner mehrerer Einsatzfahrzeuge.
    Bruno rannte ins Bad. Er kotzte sich Angst und Ekel aus dem Leib.

18.
    Er saß in seinem Auto

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