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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Sok San würde nicht warten.
    Bruno und Fred brauchten zwei Tage, um per Zug, Bus und Jeep zur Grenze zu gelangen, wo sie Sok Sans Lager fanden. Der drahtige Offizier im tarnfarbenen Anzug empfing sie mit einem breiten Lächeln.
    Tomorrow mo’ning see de ruin’ of Angkor.
    Guten Morgen, Kambodscha. Willkommen im Bürgerkrieg.

15.
    Kästner brummte unaufhörlich die gleiche Melodie. Dabbadabba-dabba-da.
    »Du nervst«, erklärte Bruno.
    Sein Partner tat verwundert: »Kennst du den Song nicht? Layla von Eric Clapton!«
    »Als Kästner-Remix. Und darin liegt das Problem.«
    »Hätte nicht gedacht, dass du so unmusikalisch bist.«
    Der Kollege jagte den Omega zurück zur Festung, schneller, als die nasse Straße es eigentlich zuließ, und verlegte sich aufs Pfeifen. Tütü-tütü-tütü-tüü. Immer nur der erste Takt.
    Bruno blieb im Dienstwagen sitzen und wählte Heinz Klees Privatnummer. Keiner ging ran. Bruno versuchte es im Laden. Er hinterließ auf dem Anrufbeantworter seine Handynummer und die dringende Bitte um Rückruf.
    Zwanzig vor neun. Onkel Jürgen wollte, dass Bruno und Kästner noch eine Tour machten. Der Kahle dagegen bestand darauf, der Nachtschicht die Arbeit zu hinterlassen. Die Kollegen würden sich sonst langweilen.
    Im Aufenthaltsraum lief eine Serie – seit Ebis Tod interessierte sich niemand mehr für die Börsenkurse auf n-tv. Bruno zappte durch das Programm, aber die Übertragung der Boxkämpfe auf Eurosport hatte noch nicht begonnen. Marietta hatte aus dem China-Imbiss auf der Bilker Allee gebratenen Reis besorgt.
    »Scharf und heiß«, bemerkte die Kollegin.
    Bruno lehnte ab. Ritter setzte sich zu ihm auf das Ledersofa. »Was wollte Beelitz?«
    »Jemand hat den asservierten Totschläger auf dem Weg zu ihm verschwinden lassen.«
    »Bist du sicher, dass du die Waffe ordnungsgemäß angeheftet hast?«
    »Für wie doof hältst du mich?«
    Ritter gabelte Reis. »Kästner sagt, der Tünnes war noch jung und irgendwie schrecklich entstellt. Vielleicht ist es dem Kerl eine Lehre.«
    »Ja. Dass er weiterhin Leute zusammenschlagen darf.«
    »Ich erinnere mich an einen Fall im Februar. Da warst du überdreht und wir haben die Sache ohne Tamtam wieder hingebogen.«
    »Hab ich dir etwa einen Totschläger drübergezogen?«
    »Als Boxchampion hast du das nicht nötig.«
    »Du wusstest von der Untersuchung gegen mich. Du hast mich nicht gewarnt.«
    Marietta mischte sich ein: »Mensch, Kerle, wollt ihr das jetzt wieder aufwärmen?«
    Bruno zog sich in das Schreibzimmer zurück und wartete auf den Rückruf des Antiquitätenhändlers.
    Er tippte das Protokoll zur Einbruchsgeschichte in der Lambertusstraße. Kästner hatte den Ohrabdruck auf Folie gezogen. Der Kahle hatte Fleiß entwickelt – vielleicht hatte ihn der Hintern der Hausherrin beflügelt. Das Einbruchskommissariat würde die Anzeige weiter bearbeiten. In der Regel hieß das Statistiken schreiben und auf Zufälle hoffen.
    Um neun wählte Bruno noch einmal Klee seniors Privatnummer und bekam ihn endlich an die Strippe. Freds Vater tat, als freue er sich über den unverhofften Anruf. Bruno fragte ihn, ob sich Wachtendonk schon wegen der Vishnu-Statue bei ihm gemeldet habe.
    Der alte Klee tat ahnungslos. Aber er klang nervös.
    Bruno verlangte, ihn unter vier Augen zu sprechen. Sie verabredeten sich für halb elf – Bruno wollte wissen, was es mit der Statue auf sich hatte.
    Er hatte sie zum ersten Mal in einem der Hochglanzwälzer erblickt, die Klee senior in seiner Galerie auslegte, um die Kunden von der Echtheit seiner Waren zu überzeugen.
    Antikes aus Afrika und Asien. Dämonen, Götter, Fabelwesen – Zeugen einer verlorenen Zeit.
    Eine Figur hatte Bruno damals am meisten imponiert. Er erinnerte sich noch an den Wortlaut der Bilderklärung: Vishnu, Ta Prohm Kel, 11th century, Pre-Angkor-Wat Period.
      Der träumende Vishnu.

16.
    Sie näherten sich dem Ziel. Bruno konnte die Augen nicht von den fünf dunklen Spitzen wenden, die sich am Horizont in den Himmel reckten – Angkor Wat, Zentrum einer untergegangenen Stadt, die einst die größte der Welt gewesen war.
    Die Bell flog einen weiten Bogen. Das erste Sonnenlicht tauchte die Spitzen des Tempels in Gold.
    Die Schlitzaugen-Jungen kauerten in der Türluke. Ringsum ragten Ruinen aus dem Wald. Bruno fischte die Spiegelreflex aus dem Rucksack und hielt den Traum fest: Pyramiden, gleißende Gewässer, von Dämonen flankierte Brücken, Ziegen, die der Hubschrauber ins Gestrüpp trieb.
    Sok San

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