Ausgezählt
tätschelte den Brüdern die Köpfe, was den Kids sichtlich peinlich war. Ihr Anführer erklärte, dass die zwei aus einem Dorf ganz in der Nähe stammten. From sma villeh near Angkor.
Der Offizier postierte sich hinter dem Maschinengewehr. Der Pilot verringerte das Tempo. Die Jugendlichen mussten den Patronengurt zurechtlegen. Der Hubschrauber senkte sich auf eine ungeteerte Piste hinunter und schwebte knapp über dem Boden eine Biegung entlang. Der Blick öffnete sich auf eine kilometerlange Straße. Die Zufahrt zum Flughafen von Siem Reap – menschenleer.
Sok San wandte sich um. Er strahlte und hob den Daumen. »Enemy still sleeping.«
Zweimal steuerte der Pilot die falsche Lichtung an – Ruinen mit halb zerstörten Figuren, mit kleineren Götzenbildern als dem bestellten. Bruno und Fred hatten Mühe, Sok San davon zu überzeugen, dass sie weitersuchen mussten.
Mit jeder Minute, die der Tag voranschritt, wurde der Kambodschaner nervöser.
Der dritte Versuch. Bruno und Fred erkannten den Vishnu schon von weitem. Sie zeigten Sok San an, dass sie richtig waren.
Hart setzten die Kufen auf den Grasboden. Der Rotor peitschte die Luft, Büsche beugten sich. Eine magere Kuh galoppierte in den Wald.
Bruno und Fred sprangen aus der Luke und liefen auf den Tempel zu. Er war klein und steil, die unteren Terrassen von Wurzeln zersprengt und von Gestrüpp überwuchert, die Treppen und Schlangengeländer an den Flanken zerbrochen. Nur die achtarmige Steinfigur auf der oberen Plattform schien unversehrt.
Bruno dachte an Silberkuhls Kommentar, als sie dem Einkäufer die Bilder gezeigt hatten: Ihr glaubt nicht, was diese Verrückten für so ein Steinmonster hinblättern.
Eintausend Jahre. Alter noch als das nahe gelegene Angkor Wat. Aus einem einzigen Block Sandstein geschlagen.
»Der Vishnu blinzelt«, stellte Fred fest.
»Er träumt«, antwortete Bruno.
Gemeinsam mit den Bauernjungs erklommen sie die Ruine. Der Hubschrauber hob ab und bezog Position über dem Kopf der Statue. Sok San ließ die Seile herab. Bruno und Fred zurrten sie um Brust, Taille und Schultern der Figur. Sie überprüften die Knoten und gaben Zeichen. Die Stricke strafften sich.
Einer der Brüder deutete auf die steinernen Knie, wo die Beine des Vishnu am dünnsten waren. Der andere trat zurück und holte mit der Hacke aus – Fred fiel ihm in den Arm und zankte mit dem Jugendlichen.
Bruno nahm die Picke und begann, das morsche Ziegelwerk zu zertrümmern, das als oberste Schicht der Plattform den massiven Sockel der Figur einfasste. Sein Freund packte die zweite Hacke und arbeitete auf der anderen Seite. Sie wollten den Vishnu unversehrt nach Hause bringen. Als ihre Arme brannten, ließen sie sich von den Brüdern ablösen.
»Mein Vater wird Augen machen«, bemerkte Fred und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Ein Ding von dieser Größe hat er noch nie verkauft. Wie alt ist das Teil?«
»Elftes Jahrhundert nach Christus.«
Endlich brachen die letzten Steine, der Koloss löste sich und pendelte unter dem Hubschrauber.
Jetzt sollte Sok San die Strickleiter herunterlassen.
Es sah aus, als diskutierten der Offizier und sein Pilot miteinander.
»Hey! What’s up?«, brüllte Fred hinauf. Der Hubschrauberlärm übertönte ihn.
Silberkuhl hatte die Bell als zuverlässig beschrieben. Probleme würden sie nur bei Feindkontakt bekommen. Worauf wartete Sok San?
Endlich schlug das Ende der Leiter auf die Plattform.
Fred griff in die morschen Stricke. Bruno wartete, bis Fred oben angekommen war, dann folgte er.
Im Klettern streifte er den Rücken der Statue. Glatt und dunkel schimmerte der Stein. Kühl wie die Nacht. Makellos nach all den Jahrhunderten.
Kein Loch im Rücken. Keine Öffnung, so groß wie ein Kindersarg.
Nicht damals, vor zwölf Jahren.
17.
Bruno ging in den Wachraum und ließ das Protokoll zur Einbruchsache Wachtendonk/Lambertusstraße in den Ausgangskorb segeln.
Kein Satz darin, dass er die Figur aus dem Land geschmuggelt hatte. Kein Wort über die Expedition und ihren Ausgang. Bruno hatte keine Lust, mit dem Einbruch in Verbindung gebracht zu werden.
Der Korb stand auf dem Tresen des vordersten Raums der Dienststelle. Bruno prüfte die Tür zum Flur: unverschlossen. Nicht nur die Beamten der Kriminalwache hatten Zutritt. Fast jedermann konnte in der vergangenen Nacht die Akte Lauffer manipuliert haben.
Im Funkraum trafen die ersten Kollegen der Nachtschicht ein. Es genügte, wenn Ritter die Übergabe machte. Bruno
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