Ausgezählt
Kennzeichen.
»Kriegt raus, für wen er noch gearbeitet hat«, riet Bruno. »Damals vor zwölf Jahren. Wenn er den Vishnu von Ta Prohm …«
»Wen?«
»Die Figur, die bei Wachtendonk beschädigt wurde. Acht Arme, elftes Jahrhundert …«
»Schon verstanden.«
»Wenn er den Vishnu präpariert hat, um Heroin nach Deutschland zu schmuggeln, kann er das auch mit anderen Statuen gemacht haben. Er stopft das Zeug in die Figuren, spachtelt sie zu und schickt sie per Schiff nach Bremerhaven. Wenn ihn die Thais nicht eingebuchtet hätten, wäre er heute ein gemachter Mann. Nach der Freilassung in Thailand kommt er zurück und scheitert bei dem Versuch, den Stoff zu versilbern, den er zu Hause gehortet hat. Erst schnappen ihn die hessischen Kollegen, dann vergeigt seine Freundin den Rest. Aber es gibt vielleicht noch andere Schätze, von denen niemand außer ihm weiß.«
»Du meinst, Silberkuhl ist bei Wachtendonk eingebrochen, um das Heroin zu holen.«
»Richtig. Wenn Silberkuhl der Tünnes ist, den die Anruferin in Klees Laden gesehen hat, dann konnte er in Klees Büro herausfinden, wohin der Vishnu damals verkauft wurde. Oder Klee hat es ihm erzählt. Fragt Silberkuhls Freundin, ob er einen alten Joop- Anzug besitzt.«
Für einen Moment war Stille im Draht. Dann fragte Becker: »Du glaubst also, dass Silberkuhl den Stoff hinter dem Rücken Klees schmuggelte. Dass der Händler und eventuell noch andere Händler, für die Silberkuhl arbeitete, nichts davon wussten.«
»Ja.«
»Wie gut hast du Heinz Klee gekannt?«
»Wenn Klee eingeweiht gewesen wäre, hätte Silberkuhl nicht bei Wachtendonk einsteigen müssen. Dann hätte er das Heroin bei Klee gesucht beziehungsweise seinen Anteil gefordert.«
»Aber warum hat er ihn dann umgebracht?«
Bruno schwieg. Vielleicht war Silberkuhl es gar nicht gewesen.
Becker fragte: »Kennst du übrigens das Palumbo an der Tannenstraße?«
»Nein, was ist damit?«
»Wir haben uns von der Telekom sämtliche Nummern geben lassen, die von den Anschlüssen der Klees in den letzten achtundvierzig Stunden angewählt wurden. Dreimal ist dieses Lokal darunter.«
»Vielleicht hat es Klee mit Antiquitäten eingerichtet.«
»Das Palumbo ? Du machst Scherze. Das ist eine stinknormale Eckkneipe der billigsten Sorte. Die Anrufe verteilten sich über den gesamten Tag. Zweimal vom Laden aus, das dritte Mal um kurz nach neun vom Anschluss des Tatanwesens. Frau und Tochter waren zu der Zeit noch im Schauspielhaus. Also war es das letzte Telefonat, das Heinz Klee in seinem Leben führte. Und das Seltsame ist, dass sich der Wirt an keinen einzigen der Anrufe erinnern kann, obwohl er den ganzen Abend in seiner Kneipe stand.«
Bruno sah auf die Uhr. Der Kriminalrat wartete mit einem Job auf ihn.
Beckers Stimme quengelte aus dem Handy: »Gib mir einen Tipp, Kollege. Hast du keine Idee, was es mit diesen Telefonaten auf sich hat?«
»Findet Silberkuhl, dann erfahrt ihr, wie es sich zugetragen hat«, antwortete Bruno.
Doch er hatte selbst leichte Zweifel, ob das wirklich so einfach war.
26.
Das Schumacher platzte aus den Nähten. Touristen stauten sich in den Gängen des Brauereilokals auf der Suche nach einem freien Stuhl. Bruno bahnte sich den Weg durch Lärm, Rauch und Küchendunst. Die Radschlägerstube fand er im ersten Stock hinter den Toiletten.
Ein Schild an der Tür: Geschlossene Gesellschaft. Bruno klopfte und trat ein.
Der Kriminalrat kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. »Schön, dass Sie gekommen sind.«
Als hätte Bruno eine Alternative gehabt. Ein zweiter Mann saß am Tisch. Im trüben Licht einer schmiedeeisernen Deckenfunzel erkannte Bruno wache Augen und angegraute Haare, die zum kurzen Pferdeschwanz verschnürt waren. Max Pommer, Leiter des KK 33, des Kriminalkommissariats für Glücksspiel und Falschgeld. Ebis Schwager.
Bruno beugte sich über den Tisch, um dem Grauschopf die Hand zu geben. Er schätzte ihn auf Mitte vierzig. An Pommers Schultern und dem breiten Brustkorb war der ehemalige SEK-Mann auszumachen, der noch immer Sport trieb.
Der Lange fragte: »Sie kennen sich?«
»Logisch!«, antwortete Pommer mit knorriger Stimme. »Setz dich, Wegmann. Dieses Zusammentreffen kriminalistischer Kompetenz sollten wir feiern!«
Der Grauschopf zwinkerte ihm zu. Bruno rätselte, ob sich Ebis Schwager über ihn oder über den Kriminalrat lustig machte. Eine Bemerkung von Ela Bach schoss ihm durch den Kopf: Ausgerechnet Eberhards Schwager hat den toten Amokläufer
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