Ausgezählt
der dreifachen Tötungssache auf den Apparat zu schicken, der vor ihm stand. Er schnappte sich den Blitz, dessen Seiten lose umherlagen. Keine Details über den Mord – Bruno wurde klar, dass noch nicht einmal ein ganzer Tag vergangen war, seit ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden war.
Sieben Anrufe bis 22 Uhr. Bruno notierte Namen, Adressen und Nummern und hörte geduldig zu. Die Morde kündigten den Weltuntergang an. Die Toten seien Anhänger einer Satanssekte gewesen und von Erzengel Gabriel bestraft worden. Der Kannibale von Heerdt sei ausgebrochen und gehe wieder um. Dazu das übliche Geschimpfe über Asylbewerber und Islamisten. Eine Hellseherin bot ihre Dienste an. Zwischen den Telefonaten nickte Bruno ein paar Mal ein.
Der einzige ernst zu nehmende Anruf stammte von einer Kundin Klees, die am gestrigen Vormittag mitbekommen haben wollte, wie jemand den Antiquitätenhändler bedrängt hatte. Ein lästiger Bettler, vermutete sie. Der Mann sei laut geworden. Statt ihn hinauszuwerfen, habe Klee den Unbekannten in das Büro bugsiert und dort warten lassen, während er die Kundin bediente.
Als sie anfing, von der Bronzefigur zu schwärmen, die sie erstanden hatte, bemühte sich Bruno, das Gespräch zurück auf den vermeintlichen Penner zu lenken.
Die Zeugin schilderte den Mann als etwa sechzig Jahre alt, von gebeugter Statur mit leichtem Bauchansatz. Blasses Gesicht über einem altmodischen, zerknitterten Anzug. Ein anthrazitfarbenes Joop- Modell aus den achtziger Jahren, tippte die Frau und begann, sich über ihre Berufserfahrung in der Modebranche auszulassen. Ihr Mann spende seine ausrangierten Gaultiers und Armanis stets den Franziskanern. Sicher habe der Stadtstreicher seinen Anzug aus deren Kleiderkammer erhalten.
Bruno bedankte sich bei der Anruferin.
Er tippte die Zusammenfassung für das KK 11 und legte den Bericht in den Ausgangskorb.
Silberkuhl – Knast macht blass und lässt jeden Kerl älter wirken. Bruno legte sich zurecht, was er wusste. Er notierte Zeitabläufe und kritzelte Diagramme.
Er bemühte sich, nicht an Karen und Fred zu denken.
Bruno ging nach hinten und schloss die Waffe in den Schrank. Ritter besprach sich mit dem Leiter der Nachtschicht. Marietta winkte Bruno zu, Anteilnahme heuchelnd.
Sein Partner Kästner zeigte ihm den Stinkefinger.
Bruno ließ den Saab vom Parkplatz rollen und steuerte die Innenstadt an. Abends um halb elf im Schumacher – eine seltsame Dienstbesprechung. Auf halbem Weg sprang sein Handy an.
»Ja?«
Nicht seine Frau, sondern die Stimme von Thilo Becker tönte aus dem Apparat. Der Mordermittler klang, als sei er ebenso abgespannt wie Bruno.
»Mensch, Wegmann, wieso musstest ausgerechnet du die Hinweise entgegennehmen?«
Bruno bog in die Königsallee. »Weil es zur Arbeit der K-Wache gehört. Sei froh, dass ich dir den Scheiß abgenommen habe. Lauter heiße Spuren, sag ich dir. Der Weltuntergang steht bevor.«
»Erzengel Gabriel?«
»Und eine Hellseherin kann ich dir anbieten.«
»Tagsüber hatten wir drei.«
Bruno berichtete von der Zeugin aus dem Antiquitätengeschäft. Becker wollte nicht warten, bis ihm die Hauspost den Bericht auf den Tisch legen würde. Vor einer Garageneinfahrt hielt Bruno an und gab die Beschreibung des vermeintlichen Bettlers durch. Ab und zu unterbrach der Mordermittler ihn, weil er mit dem Schreiben nicht nachkam.
Bruno wollte wissen, welche neuen Erkenntnisse das KK 11 hatte.
Becker zierte sich. »Meine Chefin versetzt mich zum Trachtenverein, wenn sie erfährt, dass wir miteinander telefonieren.«
»Hör zu, Thilo. Wir tauschen uns aus. Wenn ich etwas herausfinde, kannst du es auf dein Konto buchen. Ela kriegt nicht mit, dass wir in Kontakt stehen.«
Becker fand den Vorschlag gut. Er berichtete.
Die Blutpartikel an der Gartenschere waren tatsächlich Klee senior zugeordnet worden. Aufgrund der Fingerabdrücke wurde bundesweit nach Silberkuhl gefahndet. Nach seiner Haftentlassung hatte er eine frühere Freundin in Frankfurt-Sachsenhausen aufgesucht. Silberkuhl hatte bei ihr einen ausgehöhlten Holzbuddha hinterlassen, randvoll mit Heroin gefüllt – Startkapital für den Neubeginn. Sie hatte das Ding längst geknackt und sich das Glück bringende Zeug in die eigenen Venen gejubelt. Weil Silberkuhl sie deshalb fast totgeprügelt hatte, packte sie aus, als die Polizei bei ihr aufkreuzte. Der einstige Antiquitätenschmuggler war mit ihrem Auto unterwegs. Weißer Honda, Hanauer
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