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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Brieffreundin aus Haifa – sie hatte ihn in den Ferien besucht und sich am zweiten Tag in einen Jungen aus der Nachbarschaft verknallt.
    Ein graues Heft mit der Aufschrift Albatros – Bruno blätterte. Es waren tatsächlich die Aufzeichnungen seiner Flugstunden.
    Die Freude war riesig gewesen, als sein Vater ihm zum neunten Geburtstag das Flugzeug geschenkt hatte. Bausatz, Motor und Fernsteuerung. Mutter schimpfte über das Heidengeld, das der Flieger gekostet hatte. Sie hielt Klein-Bruno für zu jung, um das Flugzeug beherrschen zu können. Sie nannte ihn Quax, der Bruchpilot.
    Das spornte ihn an. Vater bestärkte ihn. Sie hatten viel Spaß zusammen. Ein ganzes Wochenende lang hielten sie das Wohnzimmer mit den Teilen aus Balsaholz in Beschlag. Sie klebten und feilten und schliffen. Auf der Schachtel hatte Taxi gestanden. Der Name Albatros war die Idee seines Vaters gewesen.
    Bruno las runde Kinderschrift mit leichten Rechtschreibschwächen.
     
    Donnerstag, 21.5.: Erstflug, Start und Landung mit Papa, meine Landung! Wenig Wind. Albatros steigt nach oben weg, mit der Trimung muss gegen gehalten werden. Samstag, 23.5.: 3 Starts und Landungen, Motor geht im Flug immer aus. Papa sagt, mein Flugstiel fällt auf.
    Sonntag 31.5.: Wind zu stark. Albatros schwer zu steuern.
    Aufregend!
    Sonntag 7.6.: 5 Starts und Landungen. Neue Lektion:
    Luping einfach und dreifach. Super Spaß!
     
    Bruno schlug das Heft zu. Er konnte sich an jeden einzelnen Flugtag erinnern. Mit seinem Vater auf dem Apelter Feld hinter dem Deich bei Meerbusch die Maschine auszuprobieren war für ihn das Größte gewesen.
    Irgendwann in jenem Juni war sein Vater von Zuhause ausgezogen.
    Das Heft warf Bruno nicht weg.

32.
    Er ließ sich in den Sessel fallen und zappte ziellos durch die Glotze. Volksmusik im Ersten, eine Show im Zweiten. Auf RTL ein Frage-Antwort-Spiel. Auf Eurosport die Wiederholung des Sven-Ottke-Fights gegen James Butler. Bruno kannte das Ergebnis.
    Er rief seine Dienststelle an und hatte einen Kollegen der Spätschicht in der Leitung. Bruno bat den Kollegen, ihn bei Ritter zu entschuldigen – wegen einer Magenverstimmung.
    Es klingelte. Aus der Gegensprechanlage tönte eine knorrige Stimme: »Komm runter, Champion! Lass uns einen auf die Partnerschaft trinken! Oder hast du heute noch Schicht?«
    Bruno knipste die Glotze aus. Er schlüpfte in Schuhe und Jacke und lief hinunter.
    Grauschopf Pommer öffnete die Beifahrertür seines alten Mazda-Kombi. Hinten saß Seberich und grinste.
    »Steig ein!«, kommandierte Pommer. »Zu Hause fällt dir doch nur die Decke auf den Kopf.«
    Sie kümmerten sich. Wie gute Freunde.
    Bruno war gespannt, wohin ihn die Kollegen entführten.
    Pommer jagte das Auto über die Rheinkniebrücke in den Süden der Stadt.
    Seberich verteilte Bierflaschen. Er ließ den Porzellanverschluss knallen. Sie tranken auf die Zusammenarbeit. Auf Staatskanzleichef Hövel, falls die Gerüchte sich als haltlos herausstellen würden. Auf Hövels nächsten Job, falls sie zutrafen. Sie malten sich aus, was einer werden konnte, der als Politiker wegen Schneeschnupfens nicht zu halten war: Fußballtrainer in der Türkei, EU-Beauftragter für Kolumbien – heiteres Beruferaten.
    Sie passierten die Felder von Himmelgeist, die Henkel-Werke, den Stadtteil Benrath. Kurz vor der Autobahn nach Leverkusen verließ Pommer die Schnellstraße und kurvte durch ein Wohngebiet. Bruno spähte nach Schildern, um zu erkennen, wohin es ging: Urdenbach, die Rheinfähre nach Zons. Kurz davor bogen sie noch einmal ab und gondelten an den letzten Häusern der Stadt entlang.
    Vor einem verwilderten Garten stoppte Pommer. »Willkommen daheim.«
    Durch die Hecken blinkten erleuchtete Fenster. Das Haus wirkte windschief. In die Jahre gekommen, aber gemütlich. Neben dem Eingang brannte eine Laterne.
    Der fast volle Mond schwamm sich hinter den Wolken frei. Vom Grundstück aus ging der Blick auf Wiesen, Wald und einen Wanderweg, der vermutlich zum Fluss hinüberführte. Ab vom Schuss – perfekt, wenn man auf Natur und Ruhe stand.
    Pommer schloss auf. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Mit den Locken und der golden schimmernden Jacke sah Thomas Gottschalk aus wie vom anderen Ufer. Er quasselte hemmungslos, als teile er Hövels mutmaßliche Leidenschaft fürs Nasenpulver.
    Cosima knabberte Chips. Ihr Minirock ließ jede Menge Schenkel sehen. Neben ihr saß Lara.
    Die Frauen bemerkten die Ankömmlinge. Pommers ziegelrot gefärbte Gattin winkte. »Hallo,

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