Ausgezählt
gebracht.
Die Stieftochter hielt ein Schreiben hoch. »Ein Möbelhändler, der den Liefertermin einer Sitzgarnitur ankündigt. Mehr als zweiundzwanzigtausend Euro. Was für ein Film läuft da ab?«
Ariane blätterte in Kontoauszügen und Geschäftspapieren. Die Bank hatte ihr und Fred geraten, das Haus zu verkaufen. Ariane erzählte von einer eisernen Reserve für Krisenzeiten, von der ihre Eltern gesprochen hatten. Aktien – die Kurse waren jedoch im Keller, das meiste bereits mit Verlust abgestoßen.
Das Mädchen sagte: »Das macht mich alles ganz nervös. Ich weiß nicht, was ich zuerst tun soll.«
Bruno behielt für sich, was ihm durch den Kopf ging. Heinz Klee als Einbrecher, der Silberkuhl zuvorgekommen war. Die Klees als Besitzer eines Haufens Heroin.
Neuwagen, Möbel – der Erlös verplant, bevor sie ihn erzielt hatten.
Arianes Überraschung schien nicht gespielt zu sein. Bruno fragte sich, ob jetzt Fred auf dem Stoff saß.
Das Mädchen wühlte im Schreibtisch. Es kramte Briefe aus den Tiefen einer Schublade. »Du und Manfred – ihr wart doch früher die dicksten Freunde. Was ist eigentlich vorgefallen, dass ihr nichts mehr voneinander wissen wollt?«
Bruno fror. Ein schreckliches Zimmer. Ungeheizt. Wenigstens waren die Leichen nicht mehr zu riechen.
Ariane fand noch mehr Briefe, Rechnungen, Fotos. Sie stand mit dem Rücken zu Bruno und schniefte. Ihre Schultern bebten. Bruno versuchte wieder, sie zu trösten. Sie wühlte in ihrem Rucksack nach einem Taschentuch.
Bruno griff nach den Fotos. Ein Stapel alter Aufnahmen. Heinz Klee im Alter von etwa vierzig Jahren. Seine zweite Frau, sogar beim Radausflug im Kostüm. Die beiden Mädchen beim Musizieren. Unsortierte Schnappschüsse. Der Antiquitätenhändler mit vollem dunklem Haar – lange her. Klee strahlte Erfolg und Zufriedenheit aus.
Ariane tupfte Tränen weg. »Hat es mit Paps zu tun, dass ihr keinen Kontakt mehr habt?«
Das letzte Foto im Stapel zeigte eine Gruppe fröhlicher Menschen. Zwei Frauen, die Bruno nicht kannte, jung und ziemlich aufgedonnert. Sie prosteten mit Sektgläsern der Kamera zu. Drei Männer drückten sich gegen sie, damit alle aufs Bild kamen.
Heinz Klees buschige Augenbrauen, Axel Lemkes Ministervisage und ein jüngerer Typ mit Brille und Geheimratsecken: Gernot Hövel, der heutige Staatskanzleichef.
Die Zielperson der Sonderermittlung.
Das Foto war leicht verwackelt, der Bildausschnitt schief. Der Raum wirkte rustikal: Holz an den Wänden, Geweihe links und rechts des dunklen Fensters, in dem sich als heller Fleck der Blitz spiegelte. Die Blonde schmiegte sich an den Minister. Die Brünette machte hinter Hövel das Eselszeichen. Lachende Gesichter, von zu viel Sekt gerötet.
Bruno rückte seine Erinnerung zurecht. Klee und der Minister waren Schulfreunde. Der junge Hövel arbeitete als Büroleiter Lemkes, als dieser noch das Bauministerium anführte.
Die Rückseite. Elegante Handschrift, verblasste Tinte: Axels Zweiundvierzigster – fahren und fahren lassen.
Lemke war heute 53 Jahre alt. Das Foto stammte also aus dem Jahr 1991.
Ariane lehnte sich gegen die Schreibtischkante. »Ey, ich hab dich was gefragt!«
»Ja?«
»Warum ihr euch zerstritten habt. Sei ehrlich, Bruno. Stand mein Stiefvater auf kleine Mädchen? War er ein verdammter Kinderficker?«
Bruno ließ das Foto sinken. »Wie bitte?«
In ihren Augen standen neue Tränen. »Weißt du nicht, warum sie mich ins Internat gesteckt haben? Paps hat mich angeblich angefasst. Mama hatte tierischen Zoff mit ihm.«
»Er hat dich missbraucht?«
»Ich weiß nicht. Eigentlich kann ich mich nur an einen Klaps auf den Po erinnern, über den Mama sich aufgeregt hat. Das Internat war schrecklich. Paps hat mich mit Geschenken überhäuft. Entweder hatte er ein schlechtes Gewissen oder Mama hat es ihm eingeredet. Ich hab mich später nie getraut, mit jemandem darüber zu reden. Du kanntest ihn doch, als ich noch klein war.«
»Mir ist nie etwas aufgefallen, aber das sagt nicht viel. Wenn er pädophil war, müsstest du entsprechende Pornos finden. Bilder oder Filme. In irgendeinem Geheimfach, im Safe oder als Datei im Computer.«
»Der Safe war leer und die Festplatte haben deine Kollegen mitgenommen.«
Bruno sagte: »Wahrscheinlich war es wirklich nur ein dummer Klaps.«
»Meinst du?«
»Ja.« Wie er ihre Mutter kannte, hatte sie die jüngste Tochter einfach abgeschoben. Sicher auch kein angenehmer Gedanke für Ariane.
»Danke, Bruno.«
Den Schnappschuss von
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