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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Lemkes Geburtstagsfeier ließ er in seiner Jackentasche verschwinden.
    Im Auto kramte Bruno das Handy hervor und wählte die Nummer Thilo Beckers. Der Mordermittler ging sofort ran. Auch am Samstag im Dienst.
    »Ich hab einen Tipp für dich, Thilo. Du erinnerst dich an den Einbruch bei Wachtendonk?«
    »Die Akte liegt auf meinem Tisch.«
    »Mein Partner hat einen Ohrabdruck an der Wohnungstür sichergestellt.«
    »Moment … Ja, hab ich. Ein bisschen schlampig, aber verwendbar.«
    »Vergleich ihn mit den Ohren der Mordopfer.«
    »Du meinst, einer der Klees hat die Tür geknackt?«
    »Möglicherweise waren sie nicht die Unschuldslämmer, für die wir sie gehalten haben.«

31.
    Die Tannenhof-Siedlung war in den zwanziger Jahren als Vorort angelegt worden, nur einen Katzensprung vom Gerresheimer Glashüttenviertel entfernt, in dem Bruno aufgewachsen war. Nach ihrer zweiten Heirat war seine Mutter hierher gezogen.
    Kleine Häuschen, zum Teil renoviert. Hübsche Gärten, Blumenbeete voller Tulpen und Narzissen, Sandkisten und Schaukeln – die Siedlung war seit ein paar Jahren begehrt bei Familien mit Kindern. Die Grundstückspreise kletterten entsprechend. Julia Wegmann-Winterscheidt hatte das Haus vom Gatten Nummer zwei geerbt. Ihre Altersversorgung, wie sie gern betonte.
    Bruno klingelte. Hinter den Glasbausteinen hopste die Töle. Mutter öffnete. Der Hund sprang an Brunos Beinen hoch.
    »Tut mir Leid, dass ich dich am Telefon so grob abgefertigt habe.«
    »Grobheiten bin ich von dir gewohnt.«
    »Du hast mich geweckt. Ich hatte Nachtschicht.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Ich kann mir vorstellen, dass es dir zurzeit nicht so gut geht.«
    Bruno sah, dass seine Mutter für zwei gedeckt hatte. Sie erwartete Herrn Farthmann zum Abendessen – Bruno hatte keine Lust, dem Nachbarn zu begegnen. Farthmann hatte ein paar Jahre in den USA gelebt. Er nervte Bruno mit seinem Halbwissen über Polizeiarbeit in Amerika. Mit Geschichten über Sheriffs, die erst schossen und dann Fragen stellten. Über Cops, die den Partner nie im Stich lassen würden.
    Mutter war enttäuscht, dass Bruno nicht bleiben wollte. »Ich kann dir auch einen Yogi-Tee machen.«
    »Bitte verschon mich mit dem Zeug.«
    »Wollt ihr euch wirklich trennen, Karen und du?«
    »Ja. War wohl nicht das Richtige.«
    »Ich hab’s vorausgesehen. Diese Frau hat immer nur an ihren Job gedacht und ständig so getan, als sei sie was Besseres. Eure Wohnung in Oberkassel. Dieses seltsame Gemälde, für das sie ein Vermögen ausgegeben hat. Dauernd neue Kostüme, nur vom Feinsten. Und ihr intellektuelles Getue, mit dem sie es schafft, dass man sich ganz doof vorkommt. Weißt du was? Diesen Ayurveda-Tee mag ich auch nicht leiden.«
    Sie nötigte Bruno nach oben, um ihm zu zeigen, was sie aus seinem alten Zimmer gemacht hatte. Ihr zweiter Mann hatte einst das Dachgeschoss in Eigenarbeit ausgebaut. Als Bruno aus Kambodscha zurückgekehrt war, hatte er hier ein komplett eingerichtetes Jugendzimmer vorgefunden, es aber nur wenige Wochen bewohnt, bis er eine eigene Bude in Uninähe gefunden hatte.
    Bruno hatte nichts gegen den alten Winterscheidt gehabt, wie Mutter fälschlicherweise annahm. Es war das Haus – der Mief von Zimmerspringbrunnen und Häkeldeckchen.
    Mutter hatte umgeräumt. Sie nannte es jetzt das Gästezimmer. Sie drückte Bruno einen Karton in die Hand. Schulhefte, Briefe, eine Art Tagebuch. Andenken an die Kindheit, die er nach Mutters Meinung aufbewahren sollte.
    Felix, der Köter, kam angelaufen. Im Maul trug der Westie seine Leine. Das Zeichen, dass Bruno ihn ausführen sollte. Eigentlich ein nettes Vieh. Bruno musste die Töle enttäuschen.
    »Nimm dir einen guten Scheidungsanwalt«, beschwor ihn Mutter beim Abschied. »Sonst haut dich diese Frau noch übers Ohr.«
     
    Bruno fuhr zurück durch die Stadt und über den Fluss. Es dämmerte. Die Straßen waren leer wie selten. Als Bruno in der Achillesstraße aus dem Auto stieg, prüfte sein Blick die Fenster seiner Wohnung.
    Kein Licht im dritten Stock. So würde es jetzt jedes Mal sein, wenn er nach Hause kam.
    Im Briefkasten nichts als Werbezettel und Presseinfos, die für Karen bestimmt waren.
    Er trug den Karton mit seinen alten Sachen nach oben. Er gehörte nicht zu den Leuten, die jeden Mist aufhoben. Ein Erinnerungsstück nach dem anderen landete im Papierkorb: ein Jahrbuch der Schule mit Fotos seines Abiturjahrgangs, dilettantische Arbeiten aus dem Kunstunterricht, die Korrespondenz seiner

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