Ausgezählt
bringen, die ihn einen Feigling nannten. Wenn er den Polizeipräsidenten überzeugte, konnte Kriminalrat Engel ihm gestohlen bleiben. Bruno war auf das Wohlwollen der Krawattenschwuchtel nicht angewiesen.
Der Benefizkampf war seine Chance – in mehrfacher Hinsicht.
Bruno fuhr zur Heyestraße. Unterwegs hielt er an einer Muckibude und deckte sich ein: zwei Kartons Proteinpulver, eine Schachtel Amino-Trinkampullen und eine Großpackung Mineralstoffkonzentrat mit Grapefruitgeschmack zum Mixen eigener Elektrolyt-Drinks.
Im Kraftraum des Vereinsheims ließ er die Geräte klappern. Die Auswahl war gering und veraltet. Der TuS Gerresheim war ein Arbeiterverein ohne Kohle für moderne Maschinen. An die Zeit der Triumphe erinnerten sich nur noch Janssen und eine Hand voll Funktionäre, die allesamt im Rentenalter waren. Bruno schwitzte einsam vor sich hin. Nach der vierten Runde schmerzten die Muskeln. Nach der sechsten zitterte Bruno am ganzen Leib.
Er wusste, dass er gegen die Regeln des Trainers verstieß. Janssen durfte ihn nicht erwischen. Der Alte lehnte forciertes Bodybuilding ab. Aber Bruno wollte sich nicht allein auf seine Schnelligkeit und Technik verlassen.
Dehnübungen und Auslaufen auf der Aschenbahn. Zurück nach Hause. Bruno briet sich ein Steak und kochte einen Berg Nudeln.
Als er satt war, trug er Karens Garderobenspiegel ins Wohnzimmer und übte Schlagtechnik bis zur Erschöpfung.
Mittagsschlaf, danach erneut zum Vereinsheim. Die Fahrt quer durch die Stadt zog sich hin.
Sein Handy spielte den Hummelflug.
Es war die Sekretärin des Behördenleiters. Sie richtete aus, dass Bruno sich am nächsten Nachmittag um drei im Büro des Polizeipräsidenten einfinden solle, um die Einzelheiten des Benefizkampfs zu besprechen. Er dürfe seinen Trainer mitbringen. Sein Gegner werde auch da sein.
Die Sekretärin sagte: »Herr Bewerunge hat Ihnen bereits zu Hause auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er lässt fragen, ob es Ihnen etwas ausmacht, über sechs Runden zu gehen und auf den Kopfschutz zu verzichten.«
»Es macht mir nichts aus«, antwortete Bruno. »Aber zu sechs Runden wird es nicht kommen. Sagen Sie ihm, dass ich Janosch spätestens in der dritten Runde auf die Bretter schicken werde.«
Die Stimme der Sekretärin blieb kühl und distanziert. »Der Spruch wird ihm gefallen. Janosch nannte übrigens die erste Runde.«
Janssen wirkte müder als sonst, aber seine Augen strahlten. Der alte Trainer genehmigte sich einen heimlichen Schluck aus dem Flachmann und spulte die Ich-hab’s-ja-gewusst-Nummer ab – sein bester Kämpfer hatte sich zurückgemeldet.
Bruno bekam einen Aufbauplan verpasst: Wochentags Training in der Halle, der Samstag war Lauftag, am Sonntag war gutes Essen angesagt. Bruno nahm sich vor, jeden Tag zu laufen und keine Pause zu machen.
Er schlug den Sandsack und klatschte den Medizinball gegen die Wand. Er sprang Seil und verprügelte die Maisbirne. Bauchtraining für das Einstecken. Trommeln gegen die Matte für die Schnellkraft. Die Pyramide – Intervalltraining bis kurz vor dem Zusammenbruch. Janssen hielt ihn auf Trab.
Wenn du keine Luft mehr hast, musst du Gas geben.
Wenn du glaubst, du bist der Schnellste, musst du an Tempo zulegen.
Wenn deine Muskeln schwer werden, hast du dich noch nicht wirklich verausgabt.
Als Brunos Sparringspartner hatte der Trainer Joe ausgeguckt, einen jungen Asylbewerber aus dem Kongo. Der Schwarze war der einzige aktive Schwergewichtler des TuS Gerresheim mit Wettkampferfahrung – der alte Coach glaubte, dass Joes Kampfweise der des Hammers ähnelte.
Im Sparring übte Bruno Kombinationen. Technik und Taktik. Janssen feuerte Bruno an. Er schimpfte. Es ging ihm nicht schnell genug, die Deckung stimmte nicht. Bruno wechselte zu zögerlich von der Defensive in den Konterangriff. Er tänzelte nur und übte keine Dominanz aus. Janssen tobte zehn Runden lang. Als er das Training für beendet erklärte, war Joe außer Atem und Brunos T-Shirt klebte am Leib.
Jetzt lobte der alte Trainer und sprach Bruno Mut zu. Janssens alte Masche: Zuckerbrot und Peitsche. Bruno wollte weitersparren. Janssen widersprach: »Wir müssen es behutsam angehen, Junge. Auf den Punkt trainieren. Sonst stehst du im Ring wie ein nasser Sack.«
Joe runzelte seine schwarze Stirn und riss die Augen weit auf. »Hab gehört, Sauerland war an Janosch dran. Wollte den Hammer ins Profilager abwerben. Der Kerl schlägt nicht einfach zu. Der schmeißt mit Steinen.«
»Wir lassen
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