Ausgezählt
zweiten Reihe und langweilte sich. Der Kaugummi kauende Quadratschädel neben ihm musste der Trainer aus Kamp-Lintfort sein. Noch ein Platz weiter, in Cordhose und grünem Anorak, ein Funktionär vom Landesverband der Amateurboxer.
Die Reporter gähnten. Sie malten Kringel in ihre Notizblöcke. Die Knipser überprüften ihre Kameras. Die Obermuftis starrten auf die Mattscheibe.
Der Thriller in Manila.
Am 1. Oktober 1975 war Klein-Bruno sechs Jahre alt gewesen. Er hatte schlecht geschlafen und war zur Toilette getapert. Er hörte Geräusche. Im Wohnzimmer war Licht – sein Vater guckte Glotze. Seltsam, um diese Uhrzeit. Wegmann senior zog Bruno auf seinen Schoß. Der Junge ängstigte sich. Er starrte dennoch hin, weil er annahm, dass sein Vater es von ihm erwartete.
»Er kriegt ihn mürbe!«, rief Wegmann senior begeistert.
Schwarze Männer in Turnhosen. Klein-Bruno hatte keinen Schimmer, warum sie einander wehtaten.
Boxhistorie – Bruno hatte einiges darüber gelesen, seit er selbst boxte. Jahre zuvor hatte man Ali den Weltmeistertitel wegen Kriegsdienstverweigerung aberkannt. Als er ihn gegen Frazier zurückholen wollte, verlor er. Er gewann die Revanche, aber den Titel hielt inzwischen der junge Foreman. Dann, Kinshasa 1974, Rumble in the Jungle: Ali schlug Foreman k.o. Der Stilist besiegte den Kraftbolzen. Erneut war Ali Meister aller Klassen.
Als er zum dritten Mal auf Frazier traf, musste er beweisen, dass er den Triumph über Foreman nicht einem bloßen Zufallstreffer verdankte, wie viele vermuteten. Ali musste glanzvoll gewinnen.
Manila: der Jahrhundertkampf. Die Schlacht, die Ali endgültig zum Helden machte.
Die Farben auf dem Monitor wirkten blass und verwaschen. Der amerikanische Kommentator plärrte aufgeregt. Ali bewegte sich auf Zehenspitzen, hielt die Fäuste fast entspannt in Gürtelhöhe. Frazier kam, duckte sich, wollte schlagen, kassierte Alis Rechte, dann umarmten sich die beiden.
Die dreizehnte Runde, schätzte Bruno. Vier, fünf Minuten mussten sie noch zuschauen.
Ali ließ die Arme hängen – Janssen würde Bruno für solche Lässigkeit zum Teufel jagen. Frazier kam, Ali traf, Fraziers Mundschutz flog in hohem Bogen.
Der Polizeipräsident sprang auf. Habt ihr das gesehen?
Gegen Sonny Liston hatte Ali getanzt, um den anderen zu frustrieren. Gegen Foreman war er an den Seilen gestanden und hatte eingesteckt, bis der andere durch die eigenen Schläge ermüdet war. In Manila half weder die eine noch die andere Taktik. Frazier kannte Ali. Ihn konnte der Champion nicht überraschen.
In den meisten Runden des Kampfs steckte Ali fürchterlich ein. Nur einmal sah es für kurze Zeit aus, als wende er das Blatt. Ansonsten tat Frazier seine Arbeit. Der Herausforderer trieb Ali von einer Ecke in die nächste und holte Punkt um Punkt. In Runde dreizehn waren die Kämpfer erschöpft. Auf den Zetteln der Punktrichter führte Frazier haushoch.
Runde vierzehn. Ali hatte noch Luft – weiß der Geier, woher. Er begann plötzlich, Dominanz auszuüben.
Bruno erinnerte sich, wie er diesen Moment auf dem Schoß seines Vaters miterlebt hatte. Wie er gejubelt hatte, als Ali Oberhand bekam. Weil er merkte, dass Wegmann senior dem Champion die Daumen drückte. Weil sein Vater ihm ins Ohr flüsterte: Siehst du, wie er ihn mürbe kriegt? Es hatte anscheinend einen Sinn, dass die schwarzen Männer einander wehtaten.
Innerhalb von Sekunden zerstörte Ali seinen Gegner. Wie ein Gewitter fiel er über Frazier her. Zur fünfzehnten Runde trat der Herausforderer nicht mehr an.
Der Polizeipräsident zielte mit der Fernbedienung. Der Bildschirm erlosch. Der Präsident deutete Schläge an und grinste zu Janosch hinüber. Die Obermuftis applaudierten.
Der Augen des Behördenleiters schimmerten. Er hielt seine Rede.
»Wir werden die Philipshalle füllen. Der Kampf des Jahres. Ein Glücksfall, dass die Behörde zwei Ausnahmesportler in ihren Reihen hat. Bereits das Vorprogramm kann sich sehen lassen. Die Cheerleader von Rhein Fire, eine Modenschau und Kämpfe der Junioren aus Kamp-Lintfort und Düsseldorf. Dann treten unsere Helden an. Sechs Runden zu drei Minuten. Ohne Kopfschutz. Am 25. April werden wir echte Männer sehen.«
»Hast du das gewusst?«, flüsterte Janssen Bruno zu. »Er will Profibedingungen!«
»Unsere Helden werden es Ali und Frazier gleichtun. Sie werden dem Publikum eine Vorstellung ihrer unerschrockenen Bereitschaft geben, sich immer und überall dem Verbrechen zu stellen. Dem Sieger
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