Ausgezählt
vor Paparazzi. Sie bemerkte seinen Blick und drückte einen Schalter. Ein Motor surrte, die Lamellen schoben sich nach oben und gaben den Blick in den Garten frei. Mondlicht schimmerte auf einem Zierteich.
»Sie erinnern mich an die jungen Beamten, die meinen Mann manchmal zu seinem Schutz begleiten.«
Bruno fiel auf, wie zart und weiß ihre Haut war. Kaum Falten um Mund und Augen. »Ich wundere mich, dass dieses Haus nicht bewacht wird. Und dass Sie so spät am Abend umherwandern.«
»Ich nenne es Kontrollgang. Ich spähe in die Häuser, um zu erfahren, ob das Leben noch stattfindet.«
»Die Ministergattin als Spannerin?«
Ihr Lachen klang angenehm. »Nach Sonnenuntergang schlägt meine Stunde.«
»Sagte Graf Dracula.«
Sie nahm die Hand vor den Mund und mimte Entsetzen. »Schau ich schon so schlimm aus?«
Er bat um Verzeihung. Er machte Komplimente. Bis auf die Frisur sah sie wirklich ganz passabel aus. Ihre Augen …
Bruno sagte: »Ihr linkes Auge ist von anderem Blau. Eine Spur dunkler als das andere.«
»Na so was. Lemke hat das in zwanzig Jahren nicht bemerkt.« Sie prostete ihm zu.
Bis zum Kampftag keinen Alkohol – Bruno nippte nur und lobte den Tropfen, weil er annahm, dass sich das gehörte. Er wusste nicht, ob er jemals wieder so nah an Lemke herankommen würde. Vielleicht konnte er die Gattin ausfragen.
Sie sagte: »Mein Mann gilt als Rotweinliebhaber. Wenn es einen Anlass gibt, ihm etwas zu schenken, bekommt er Bordeaux. Kistenweise. Ab und zu suche ich mir einen rassigen Begleiter für den Abend.«
»Wenn er zu schade zum Alleintrinken ist, sollten Sie ihn mit Ihrem Mann genießen.«
»Mit Lemke? Der lässt sich nur zu Weihnachten und zu Ostern hier blicken, wenn die Kinder da sind. Oder wir treffen uns zu gesellschaftlichen Anlässen, die wir nicht vermeiden können. Unsere Schautage. Sie bereiten mir regelrechte Schmerzen, wenn ich nur daran denke. Wir führen schon lange keine richtige Ehe mehr.«
»Das tut mir Leid.«
»Ach was! Ich hab ihn rausgeworfen. Wie soll ich mit einem Mann zusammenleben, der seine Sekretärinnen abschleppt. Ich hätte es wissen müssen. Ich war selbst mal eine. Wegen mir hat er seine erste Frau verlassen. Wie stolz ich dumme Pute damals war!«
Bruno saß in Lemkes Wohnzimmer und hörte sich private Geschichten an. Er hatte das Gefühl, die Intimsphäre des Innenministers zu verletzen. Er sagte sich, dass er nichts dafür konnte, wenn die Frau unter Mitteilungsdrang litt.
Sie sagte: »Erzählen Sie mir von Ihren Ermittlungen. Hat Lemke jemanden umgebracht?«
Er musste lachen. Über ihre direkte Art und darüber, wie sie ihren Mann konsequent beim Nachnamen nannte. »Ich hoffe, nein. Kannten Sie Heinz Klee?«
»Ich habe alles über den schrecklichen Mord gelesen. Heinz ist mit Lemke zur Schule gegangen. Sie waren gute Freunde, wenn man bei einem Politiker von Freundschaft reden kann. Irgendwann hatte Lemke einfach keine Zeit mehr für so etwas.«
Bruno erklärte: »Heinz Klee versuchte vor seiner Ermordung, Ihren Mann zu erreichen. Haben Sie eine Idee, was er von ihm wollte?«
Die Ministergattin legte die Stirn in Falten und verneinte. Bruno zog das Foto aus der Jackentasche. Abgegriffen und etwas ramponiert. Die geknickte Ecke war eingerissen.
Lemkes Geburtstag. Fünf Leute unter Hirschgeweihen. Frau Lemke nicht dabei. Blitzlicht im Fensterglas gespiegelt. Bierseliges Lachen. Lemke, Hövel, Klee und zwei aufgedonnerte Mädels.
»Kennen Sie eine oder beide Frauen?«
Sie verzog das Gesicht. »Stecken Sie das weg. Ich mag diese Weiber nicht sehen.«
»Sekretärinnen?«
»Eine war die Schwangerschaftsvertretung seiner damaligen Chefsekretärin. Blond müssen sie sein. Schlank und jung, wie ich es einmal war. Und auf keinen Fall größer als eins achtundsechzig. Lemke mag es nicht, wenn eine Frau ihn überragt. Als dieses Flittchen verunglückte, kam er mit seiner Trauer zu mir zurückgekrochen. Ich tröstete ihn, weil ich dachte, er wäre nun von seinen Seitensprüngen kuriert. War er auch, aber nur für schlappe vierzehn Monate.«
»Als sie verunglückte?«
Lemkes Geburtstag. Der 27. Februar 1991. Der Unfall im Wald. Bruno fragte weiter: »Sprechen Sie über Maria Buchmüller?«
»Themenwechsel, bitte!«
Der Schnappschuss. Eine Jagdhütte im Bergischen Land. Die Blonde war die Mutter von Tobias Lauffer. Die Akten: Der neunjährige Tobias war beim Unfall schwer verletzt worden. Das etwas schiefe Foto: Womöglich hatte der Kleine die Aufnahme
Weitere Kostenlose Bücher