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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Wladek ihn derart verraten? Vielleicht hatte der ältere Junge ihn dazu gezwungen? Und würde er Wladek wirklich etwas antun, wenn er, Peter, nicht wiederkam? Nein, entschied er, das war sicher ein Bluff.
    An diesem Abend hätte er den Kaltenbachs nur zu gern erzählt, was geschehen war, aber das hätte natürlich eine Katastrophe ausgelöst. Beim gemeinsamen Abendessen fühlte er sich plötzlich von allen isoliert. Keiner von ihnen würde ihn verstehen. Er ging so früh wie möglich zu Bett, während die Familie sich Gedanken machte, was ihn so verstimmt haben mochte.
    Bis zum nächsten Tag unterdrückte er seine Wut. Als er Segur erzählte, was passiert war, konnte dieser nicht glauben, dass Peter so dumm gewesen war. »Ich habe gesehen, wie eine Frau auf offener Straße verhaftet wurde, weil sie Polen Essensreste gab«, sagte er. »Überlass sie sich selbst.«
    Peter fragte sich, warum die beiden Polen nicht wegliefen. Von dem Trümmergrundstück abzuhauen, konnte nicht so schwer sein. Segur sagte, dass sie wahrscheinlich alle töten würden, wenn einer entkam. Sein Vater arbeitete in seiner Fabrik mit Ostarbeitern und hatte eine sehr schlechte Meinung von ihnen. »Vater sagt, sie sind faul und dumm und arbeiten nur halb so viel wie ein Deutscher.«
    Peter schüttelte verbittert den Kopf, hielt es aber für vergebliche Mühe, ihm entgegenzuhalten, dass man diese Leute gegen ihren Willen nach Deutschland geschafft hatte. Sie hatten keinen Grund, hart zu arbeiten. Außerdem bekamen sie, ihrem Aussehen nach zu schließen, kaum genug zu essen, um zu überleben.
    »Vater sagt, man setzt sie ein, bis sie verbraucht sind, und steckt sie dann ›zum Ausruhen‹ in ein Konzentrationslager. Zurück kommt keiner mehr.«
    Peter hielt es für das Beste, nicht zu Wladek und dem Trümmergrundstück zurückzukehren, war aber entschlossen, den Ostarbeitern weiterhin zu helfen, wo er konnte, und sei es nur, indem er ihnen ein paar Lutschbonbons zusteckte, wenn niemand hinsah.

Kapitel vierzehn
    Dezember 1941
    Als die Kaltenbachs am 8 . Dezember erwachten, gab es überraschende Neuigkeiten. Das mit Deutschland verbündete Japan hatte tags zuvor bei Pearl Harbor die halbe amerikanische Flotte zerstört und befand sich nun im Krieg mit den USA . »Der Führer hat unsere Verbündeten klug gewählt«, meinte der Professor. »Den Amerikanern wurde ein tödlicher Schlag versetzt. Jetzt werden sie sich gut überlegen, ob sie mit den Briten zusammen gegen uns antreten wollen …«
    Am selben Tag besuchten Peter und seine HJ -Schar später eine Leichtathletikvorführung in einer Charlottenburger Sporthalle. Jeder, mit dem Peter sprach, schien ziemlich erfreut über die Neuigkeiten, doch als eine Gruppe vom Bund Deutscher Mädel ihre Darbietung begann, waren sie abgelenkt.
    Die Jungen aus seiner Schar waren hingerissen von den knapp sitzenden Kostümen der Mädchen, die in Rhönrädern durch die Halle wirbelten und hölzerne Reifen kreiseln ließen, alles in perfekter Formation.
    Einige Erwachsene in der Menge, vor allem ältere, gaben Laute der Missbilligung von sich. Solche Bekleidung sei unanständig, hörte Peter jemanden sagen. Daraufhin stießen sich einige der Jungen aus Peters Schar in die Seiten und flüsterten anzügliche Bemerkungen.
    Ein großes, dunkelhaariges Mädchen zog mehr als alle anderen die Aufmerksamkeit auf sich. Auch Peter fiel sie auf. »Wer ist das?«, fragte er Segur.
    »Anna Reiter«, erwiderte er. »Scharführerin im BDM . Sie wohnen ganz in deiner Nähe. Der Vater ist Oberst im Ersatzheer, die Mutter Journalistin bei der Zeitschrift Frauenwarte .«
    Gerade wollte Peter Segur erzählen, dass Frau Kaltenbach eine richtige Leseratte sei, als Lothar Fleischer ihn hart in den Rücken stieß. »Schluss mit dem Gegaffe, Bruck. Anna Reiter ist für deinesgleichen zu schade.«
    Peter ließ sich nicht provozieren. »Für dich ist sie ja wohl ein bisschen groß, Fleischer, oder?«, sagte er feixend.
    Obwohl Fleischer vor Wut rot anlief, zog er ab. Sie wussten beide, dass eine Prügelei an einem öffentlichen Ort wie dem Sportstadion sie in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hätte. Aber Peters Stichelei hatte einen wunden Punkt getroffen. Fleischer hatte viele Nächte mit Gedanken an Anna Reiter zugebracht. Dieses verschmitzte Lächeln. Die Kurve ihres Rückens hinunter zur Taille … Anna war für ihn der Inbegriff einer deutschen Frau. Als er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm ausgehen wolle, hatte sie ihm arrogant

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