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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Pflicht, daran zu denken, einfach nicht wichtig genug.
    Als Peter anschließend mit den Kaltenbachs beim Abendessen saß, wünschte er sich, offener mit ihnen reden zu können. Schuldbewusst schalt er sich dieser Gedanken wegen undankbar und versuchte sie aus seinem Kopf zu verbannen.
    Anna und Peter hatten jetzt ein Geheimnis: Sie hörten BBC . Manchmal zusammen nach der Schule, wenn sicher war, dass Annas Eltern nicht zu Hause sein oder erst spät zurückkommen würden. »Lieber nicht zu oft«, sagte Anna. »Wenn Frau Brenner rauskriegt, dass du hier bist, während Mutti und Vati weg sind, erzählt sie es ihnen bestimmt.«
    »Warum gibst du nicht zu, dass du das hörst? Du weißt doch, dass sie es auch machen«, wollte Peter wissen.
    »Du hast recht, es ist albern«, sagte Anna. »Ich glaube einfach nur, es wäre für sie noch ein zusätzlicher Grund, sich Sorgen zu machen.«
    Obwohl es ihnen vor allem um die Nachrichten ging, hörten sie beide auch sehr gern die Komödien, die die BBC in ihrem deutschen Radioprogramm sendete. Da gab es die Berliner Putzfrau Frau Wernicke, die gegen Nazis und das Leben unter ihnen wetterte. Und den Gefreiten Hirnschall, der nicht gern Soldat war und seiner Frau Briefe nach Hause schrieb. »Sie sind nicht dumm, die Briten«, sagte Anna. »Sie sind wirklich alles andere als dumm, sogar ziemlich sympathisch. Es ist, als würden die Engländer sagen: ›Wir wissen, wie es bei euch zugeht.‹«
    Damit traf sie ins Schwarze. Peter gefiel die Art, wie die Radiosprecher mit ruhiger, sachlicher Stimme berichteten. Ganz anders als ihre deutschen Kollegen mit ihrem einschüchternden Tonfall. So bekam das Gesagte mehr Glaubhaftigkeit. Ihm erschien es außerdem klug, dass sie einen Engländer sprechen ließen, der das Deutsche perfekt beherrschte, und keinen deutschen Exilanten. Für Verräter hatten die Leute wenig Sympathie.
    In diesem Frühjahr waren die Nachrichten gut und schlecht zugleich. Japan befand sich im Pazifik immer noch auf dem Vormarsch und errang einen wichtigen Sieg in Singapur. Die deutsche Armee stieß weiter ins Innere von Sowjetrussland vor. General Erwin Rommel – der »Wüstenfuchs« – und sein Afrikakorps kämpften in Nordafrika mit großem Erfolg gegen die Briten. All diese Dinge hatten sie auch im deutschen Radio gehört, und Peter und Anna waren überrascht, dass der englische Sprecher sie bestätigte. So schenkten sie allem, was sonst noch berichtet wurde, noch mehr Glauben. Aber die BBC -Sendungen vermittelten eine ruhige Überzeugung. Es war, als sagten sie: »Wir wissen, dass ihr momentan gut dasteht, aber eines Tages wird das Blatt sich wenden.«
    Peter hörte mit äußerst gemischten Gefühlen BBC . Er genoss es, wenn das deutsche Radio ihm den Eindruck vermittelte, der Krieg sei so gut wie vorüber und der große Sieg zum Greifen nah. Das hätte bedeutet, dass er, Segur und die anderen Jungen wahrscheinlich nicht mehr eingezogen würden. Die BBC hingegen raubte ihm diese Hoffnung. Besonders angesichts der vielen Amerikaner, die sich in England sammelten. Die Nazis hatten in ein Hornissennest gestochen, und eines Tages würde vielleicht er einer der Jungen sein, die mit den Konsequenzen zurechtkommen mussten.

Kapitel siebzehn
    September 1942
    Als 1942 der Frühling in den Sommer überging, verlief der Krieg für Deutschland scheinbar immer noch nach Plan. Zwar heulten in Berlin gelegentlich die Sirenen, aber kein feindliches Flugzeug bombardierte die Stadt. Peter und Anna trafen sich weiterhin so oft sie konnten, und Peter ging stets gerne zum Tee zu den Reiters.
    Obwohl er seinen Onkel Franz immer noch mochte, fand Peter nach und nach manche Ansichten von Professor Kaltenbach widersinnig – vor allem verglichen mit den wohlüberlegten Meinungen, die Oberst Reiter äußerte. Dies fiel ihm besonders dann auf, wenn Anna zu Besuch kam, was recht selten geschah. Ihr war bei den Kaltenbachs immer unbehaglich zumute, und Peter saß jedes Mal wie auf glühenden Kohlen, weil er nie wusste, was sie sagen würde. Zwar ging die Konversation nie über die üblichen Höflichkeitsfloskeln hinaus, gelegentlich jedoch machte sie eine vernichtende Bemerkung, die die Kaltenbachs aber gar nicht wahrzunehmen schienen. »Was für ein inspirierendes Gemälde«, sagte sie mit Blick auf das Bild Am Anfang war das Wort von Hermann Otto Hoyer, das im Flur hing. Der Druck zeigte Hitler, wie er zu frühen Nazi-Anhängern predigte. »Wie gut der Künstler die Verehrung der Leute

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