Ausländer
müssen.«
»Und was wird aus Herrn Lichtmann?«
»Ich werde mich auf der Arbeit umhören«, sagte Ula. Sie kannte viele Leute in der Redaktion, und etliche von ihnen waren keine Hundertprozentigen. Das überraschte Otto stets aufs Neue angesichts der unerbittlichen Nazipropaganda, die das Blatt verbreitete. Aber schließlich waren sämtliche Zeitschriften und Zeitungen gleichgeschaltet. Man wusste nicht, was die Journalisten und Redakteure wirklich dachten.
In ihrer Arbeitsstelle holte Ula Erkundigungen ein. Es gab dort mehrere Leute, die sich ihre eigenen Gedanken machten und keine Fragen stellten. Tags darauf erfuhr sie von einem Arzt in Pankow, der für einen weit überteuerten Preis das Medikament liefern würde.
»Ganoven oder Fanatiker«, klagte Otto. »Ich habe es so satt, mich mit Verrückten herumzuschlagen.«
»Wir müssen die vierhundert Reichsmark irgendwie auftreiben«, sagte Ula.
Die Reiters hatten das nötige Geld zwar zur Verfügung, aber Otto zögerte, es für seinen ›Onkel Klaus‹ auszugeben. Wie immer dachte er praktisch: »Wenn wir damit anfangen, diesen Leuten solche Summen zu zahlen, wo wird es dann enden? Außerdem möchte ich ausreichend Rücklagen haben für den Fall, dass wir sie brauchen. Wenn du oder ich verhaftet werden, benötigen wir vielleicht jeden Pfennig, den wir zusammenkratzen können, für Schmiergelder.«
Ula hatte Frau Weber an diesem Morgen getroffen. »Herr Lichtmann ist inzwischen in ganz elender Verfassung, durch die entzündete Wunde hat er hohes Fieber bekommen. Er braucht das Medikament schnellstmöglich.«
Otto traf eine rasche Entscheidung. »Wir bezahlen es, aber ich werde Herrn Lichtmann bitten, mir den Betrag zu erstatten.«
Ula und Otto wussten, dass viele der Juden, denen sie halfen, Wertgegenstände mit in den Untergrund genommen hatten. Das konnten Schmuckstücke sein, Aktien oder sogar irgendein Sammlerstück von beträchtlichem Wert. Wahrscheinlich besaß auch Lichtmann etwas in dieser Art.
Das Medikament kam am nächsten Tag. Ula und Otto hatten beide viel zu tun, deshalb bat Ula Peter, es zu überbringen. Sie machte ihm klar, dass es eine weit gefährlichere Aufgabe war, als heimlich Lebensmittel auszuliefern. »Der Arzt wird singen, falls sie ihm auf die Spur kommen. Diese Pillen sind Militäreigentum, überall sind Stempel der Wehrmacht darauf – auf der Schachtel und sogar auf den Pillen selbst. Wenn du durchsucht wirst und sie finden sie, steckst du in großen Schwierigkeiten.«
Peter war mulmig zumute, aber er war schon mehrmals bei den Webers gewesen und inzwischen überzeugt, dass er sich nur »normal« verhalten müsste, um auf der Straße nicht aufgehalten zu werden.
»Eines noch«, sagte Ula. »Kannst du Frau Weber sagen, dass das Medikament vierhundert Reichsmark gekostet hat? Sie soll es Herrn Lichtmann ausrichten. Sie werden sicher einsehen, dass sie uns das Geld zurückzahlen müssen.«
Peter pfiff durch die Zähne, als er die Summe hörte. Sie entsprach dem Monatslohn eines Fabrikarbeiters.
Eine Woche später besuchte Peter die Webers erneut; dieses Mal brachte er ihnen Milch- und Brotmarken. »Herr Lichtmannmöchte dich sprechen«, sagte Frau Weber und führte ihn nach oben.
Lichtmann sah bereits viel besser aus. Das Medikament wirkte. Sein Arm war zwar immer noch bandagiert, aber er erzählte, die Wunde sehe nicht mehr eitrig aus.
»Vielen Dank euch allen, besonders Oberst Reiter«, sagte Lichtmann. »Ich bin wirklich sehr dankbar und möchte ihm die Kosten für das Medikament natürlich so bald wie möglich erstatten.«
Er sah Peter an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Kann ich darauf vertrauen, dass du mir dabei hilfst?«
Peter beschlich ein ungutes Gefühl. Menschen Lebensmittel und Medikamente zu bringen, war eine Sache. Doch was würde man nun von ihm verlangen?
Lichtmann holte einen kleinen Briefumschlag hervor.
»Sieh dir das mal an«, sagte er lächelnd.
Peter schüttete vorsichtig den Inhalt aus – zum Vorschein kam eine einzelne rote Briefmarke aus Kamerun mit einem Wert von 40 Pfennig, auf der ein gepanzertes Schlachtschiff abgebildet war.
»Aus dem Jahr 1900 «, erklärte Lichtmann. »Gestempelt wäre sie vielleicht fünfzig Reichsmark wert. Aber ungestempelt ist sie vier- bis fünfhundert wert. Kannst du dich nach einem möglichen Käufer umhören?«
»Ich habe keine Ahnung vom Briefmarkensammeln«, antwortete Peter. Er wünschte, er hätte sich nie auf diesen Botendienst eingelassen.
»Ich
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